Christlich-muslimischer Dialog in Kairo

Muslim aus Ägypten und Christ aus Deutschland unterrichten gemeinsam Religion

21. April 2010

Schüler im gemeinsamen Religionsunterricht in Kairo

Mittwoch, 7.10 Uhr an der Deutschen Evangelischen Oberschule (DEO) in Kairo. Die Religionslehrer Dr. Salah und Pastor Axel Matyba machen sich auf den Weg in die 12. Klasse. Dort unterrichten der Muslim aus Ägypten und der Christ aus Deutschland im zweiten Jahr gemeinsam Religion – an der DEO diskutieren  christliche und muslimische Schülerinnen und Schüler in den Klassen 11 und 12 seit immerhin 10 Jahren gemeinsam Themen wie „Was ist Religion?“, Anthropologie, Jesus Christus / Issa ibn Mariam oder auch Ethik. Heute hält Matyba ein kleines Holzkreuz hoch und fragt, was die Schüler davon halten, so ein Kreuz in jedem Klassenzimmer aufzuhängen. Es entwickelt sich eine muntere Diskussion, ob die Trägerin der Schule, die Deutschsprachige Evangelische Gemeinde, dazu ein Recht hätte, ob sich Muslime dadurch gestört fühlen könnten / müssten / sollten oder ob dann nicht auch ein muslimische Symbol nötig wäre. Beide Lehrer vertiefen die Diskussion über Religionsfreiheit dann an Texten von Mahmoud Zakzouk, dem ägyptischen Religionsminister, und anhand von Ausschnitten aus der EKD-Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft“. Schließlich formulieren die Schülerinnen und Schüler das Grundrecht auf Religionsfreiheit in eigenen Worten. Als Hausaufgabe soll der eigene Text mit den entsprechenden Formulierungen aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Grundgesetz und der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1990 verglichen werden. Später wird es dann um den Religionswechsel als Teil der Religionsfreiheit gehen.

Dieser kooperative Religionsunterricht ist spannend und herausfordernd, berichtet Pastor Matyba. „Die Schülerinnen und Schüler melden uns immer wieder zurück, dass sie viel gelernt haben – über die eigene Tradition und auch die der Anderen, gerade auch dann, wenn Dialoge stocken oder scheitern.“ Ein mühsames, aber lohnendes Projekt, so Matyba. Seine 10- jährige Existenz wurde jetzt eine Woche lang mit Professoren und Studierenden aus Erlangen-Nürnberg, Augsburg und Münster-Osnabrück gefeiert– mit ökumenischen (Schul-) Gottesdiensten, mit einem Freitagsgebet im Moscheeraum der Schule, mit einem Festvortrag von Prof. Johannes Lähnemann zu „Christliche und islamische Religionspädagogik vor globalen Herausforderungen“ und einer Fachtagung unter der Überschrift: „Die Heiligen Schriften des Anderen: Ihr Nutzen im christlichen und islamischen Religionsunterricht“ . Harry Behr, Professor für Islamische Religionslehre, hat z.B. erläutert, wie er muslimischen Schülerinnen und Schülern das Vaterunser näher zu bringen versucht.

Natürlich wurde auch diskutiert, ob und inwieweit die Kairoer Erfahrungen für den Religionsunterricht in Deutschland fruchtbar zu machen sind – für den muslimischen Religionsunterricht, aber natürlich auch, ob der konfessionell gestaltete christliche Religionsunterricht, den die großen Kirchen propagieren, noch zeitgemäß sei oder aber ökumenisch und interreligiös neu konzipiert werden muss, ohne die konfessionellen Profile zu vernachlässigen.