Ein Ozean voll Tränen

Die Bedrohung von Christen nimmt in vielen Ländern der Welt dramatisch zu

25. Februar 2010

Verfolgte irakische Christen

Wer sich zum Christentum bekennt, riskiert an vielen Orten der Welt sein Leben. Mindestens sechs Christen wurden in den vergangenen Wochen im Irak ermordet. In Malaysia brannten Anfang Januar mehrere Kirchen nach einer Anschlagsserie. Fast zeitgleich ermordeten muslimische Fanatiker in Ägypten acht koptische Christen nach einer Messe. In Somalia wurde im Januar ein Pastor und Familienvater erschossen.

Die EKD hat für Sonntag (28. Februar) erstmals zu einem "Tag der verfolgten Christen" aufgerufen. Im Mittelpunkt stehen in diesem Jahr die Gläubigen im Irak. "Viele Muslime glauben, dass wir den USA geholfen haben, den Irak zu erobern", sagt der irakische Priester Sami Danka, der als Flüchtling in Essen lebt.

Die irakischen Christen seien zu Sündenböcken geworden, auf die sich der Hass gegen die Amerikaner richte, sagt Danka. "Unsere Liturgie ist ein Ozean voller Gebet und Tränen." Doch nicht nur in muslimischen Ländern erfahren Christen große Probleme: Repressalien gibt es auch in kommunistischen Ländern wie Nordkorea, China und Vietnam. Auch im hinduistischen Indien und im buddhistisch geprägten Sri Lanka brennen Kirchen.

Schätzungen zufolge sind mehr als 80 Prozent aller religiös Verfolgten weltweit Christen. Das "Jahrbuch Märtyrer", das der Bonner evangelikale Theologe Thomas Schirrmacher mit herausgibt, spricht von rund 200 Millionen verfolgten Christen in 50 Ländern. Andere Experten gehen von etwa 100 Millionen Bedrohten aus. Nach Schirrmachers Beobachtung ging Verfolgung früher vor allem von nichtreligiösen Gruppen oder atheistischen Regierungen etwa im Kommunismus aus. Heute dagegen seien die Anstifter vor allem Religionsgemeinschaften.

"Das ist statistisch gesehen eine große Verschiebung und gibt dem Ganzen eine völlig neue Dimension", urteilt Schirrmacher, der auch Sprecher für Menschenrechte bei der Weltweiten Evangelischen Allianz ist. Eine Hauptursache für diese Entwicklung sieht er im "phänomenalen Anwachsen des Christentums in nichtwestlichen Ländern", das als Bedrohung empfunden werde.

Auch der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) äußert sich besorgt. Er habe zwar "keine präzisen Zahlen" und wisse auch nicht, wie man diese ermitteln könne, sagt Martin Schindehütte. Aber die Verfolgung sei für viele eine traurige Realität. "Christen sind oft aktive Menschen, sie sind erfolgreiche Menschen, das hat etwas mit der Kultur zu tun", erklärt er. "Und dann treten soziale Spannungen auf, die religiös ummäntelt oder religiös aufgeladen werden."

Schindehütte verweist etwa auf die Situation im indischen Orissa, wo im August 2008 bei antichristlichen Ausschreitungen rund 50.000 Menschen vertrieben und Hunderte Kirchen zerstört wurden. Neben derart schlimmen Übergriffen sieht der EKD-Auslandsbischof jedoch häufig auch eine Art schleichender Vertreibung, etwa im Nahen und Mittleren Osten: "Dann werden den Menschen nach und nach alle Lebensperspektiven genommen."

Eine solche Erfahrung hat die Philosophiedozentin Elena aus Kabardino-Balkarien im Kaukasus gemacht, die ihren vollen Namen lieber nicht nennen will. "Man wird nicht gleich verprügelt, aber dir kann jederzeit etwas passieren", berichtet die schmale, dunkelhaarige Frau über die Drohungen islamistischer Wahabiten gegen orthodoxe Christen.

Nach und nach seien alle Bekannte verschwunden. "Du wirst auf der Straße beschimpft, im Kindergarten, das Auto wird dir angezündet. Sie haben uns das Leben zur Hölle gemacht", erzählt Elena, die jetzt mit ihrem Sohn als anerkannter Flüchtling im Rheinland lebt.

Der katholische Theologieprofessor John Fernandes aus dem südindischen Mangalore sieht auch in der Globalisierung einen Grund für die weltweit wachsende religiöse Radikalisierung. Der 74-Jährige fordert mehr Engagement, nicht nur bei den Kirchen. Schließlich sei die Religionsfreiheit schon in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 verbrieft: "Die ganze Welt muss sich einschalten, wenn im Namen der Religion jemand diskriminiert wird." (epd)

Fürbitte für bedrängte und verfolgte Christen

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