Gegen Armut und Ausgrenzung

Arbeitskreis Kirche und Sport stellt sich herausforderndem Thema

04. Februar 2010

Junge mit kaputten Sportschuhen

Angesichts von weltweiter Wirtschaftskrise und angeregt durch das europäische Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung trafen sich Kirchenleute, Sportler und Vertreter aus Kultur und Wissenschaft im schweizerischen Sils/Maria zu einem Diskurs über dieses als herausfordernd empfundene Thema. Eingeladen hatte der Arbeitskreis Kirche und Sport der EKD unter Leitung des EKD-Sportbeauftragten Valentin Schmidt.

Umfragen zufolge haben EU-Bürger den Eindruck, dass in der eigenen Region etwa jeder Dritte in Armut lebt und jeder Zehnte unter extremer Armut leidet. Insgesamt sollen mehr als 78 Millionen Menschen in allen Mitgliedsstaaten der EU von Ausgrenzung und Benachteiligung betroffen sein. In Deutschland ist laut UNICEF jedes sechste Kind von Armut bedroht. Dabei vergrößer sich die Armutsgefährdung von Familien mit mehreren Kindern von Jahr zu Jahr. Armut wird in Deutschland faktisch vererbt, d.h. die Schere zwischen Reich und Arm öffnet sich vor allem aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren weiter und weiter. Eine solche Polarisierung widerspricht nicht nur der christlichen Vorstellung von einer Gesellschaft in Solidarität und Gerechtigkeit, sondern führt zudem zu ernsten sozialen Gefahren.

Neben der Vertiefung der theologischen Perspektiven auf das Thema haben Vertreter aus Sport, Wissenschaft, Politik, Kirche und Kultur darüber informiert und reflektiert, auf welche Weise kirchliches Handeln und sportliches Engagement ihren Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten können. Professor Dr. Christoph Stückelberger (Zürich) gab eine umfassende Übersicht über „Sozialethische Positionen der evangelischen Kirche zu Armut und Reichtum“. Der Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Eberhard Gienger, MdB, erläuterte, wie der organisierte Sport auf diese Herausforderungen von Armut reagiert. Er stellte vor allem konkrete Programme vor, so das vom  DOSB initiierte Programm, mit dem auch Hartz IV-Empfänger in Sportvereinen Sport treiben können, ohne durch Mitgliedsbeiträge abgeschreckt zu werden. Zudem werd Langzeitarbeitslosen die Chance geboten, sich als C-Trainer ausbilden zu lassen und als Übungsleiter wieder Verantwortung in und für die Gesellschaft zu übernehmen.  Dies wurde ergänzt vom Vortrag des stellvertretenden Direktors des Landessportbundes Berlin, Heiner Brandi. Er gab einen praxisorientierten Überblick über die „sportorientierte Jugend(sozial-)arbeit in Berlin“ mit ihren vielfältigen Aktionen und Vernetzungen. Sport fange Menschen auf und trage dazu bei, sie vor sozialer Ausgrenzung zu bewahren.

Wie Sport und Bewegung in Krisensituationen wirken können, schilderte Detlef Dumont, Direktor des Weltrates für Sportwissenschaften und Leibes-/Bewegungswissenschaften in Berlin. Neuste Untersuchungen zeigen, dass Sport dazu beiträgt, traumatische Erlebnisse früher aufzufangen und damit besser zu bewältigen.

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Volker Jung, informierte über zahlreiche Beispiele, wie Kirche und Diakonie gegen Armut und Ausgrenzung konkret und vor Ort handeln. Mit der Botschaft des Evangeliums müsse eine besondere Zuwendung zu den Armen und Protest gegen Armut selbstverständlich sein, so sein theologischer Ausgangspunkt. Er hob das große ehrenamtliche Engagement von Christen, aber auch von anderen Menschen in der gemeinsamen Armutsbekämpfung in den Gemeinden und Kommunen hervor. Daneben müssten Kirche und Diakonie aber auch die Politik mahnen, Armut nicht als Gegebenheit hinzunehmen, und sich in die politischen Debatten parteiisch zugunsten der Armen und Ausgegrenzten einmischen. In einem weiteren Fokus des Vortrags wie auch der weiteren Debatten im Studienkurs stand, inwiefern Bildung dazu beitragen kann, Menschen zu befähigen, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen und sich aus der Armut zu befreien.

Die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft in Südafrika war der Anlass, sich mit konkreten Aktionen der Armutsbekämpfung in Südafrika zu beschäftigen. Ursula Hildebrand  stellte die Arbeit von „Brot für die Welt“ in Südafrika vor. Es geht dabei vor allem um Gewaltprävention an Schulen, Aufklärungsarbeit (HIV-Aids) und Jugendsozialprogramme. Sie stellte dar, dass es zwar eine überschäumende Freude über die Vergabe der WM nach Südafrika gebe und umfangreiche staatliche Investitionen auch zu deutlichen Verbesserungen der Infrastruktur beitragen. Die arme Bevölkerung des Landes – nahezu die Hälfte aller Südafrikaner lebt unterhalb der Armutsgrenze – profitiere von der WM allerdings wenig.  Daher werde es auch in Zukunft notwendig sein, Projekte in Südafrika zu fördern und zu begleiten. Dies unterstrich Dr. Klemens Hubert (Senior-Experte GTZ) ausdrücklich, der  aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen tiefe Einblicke in die Möglichkeiten und Grenzen der Jugendentwicklung in Südafrika gab.

Die Tagung endete mit einer Bibelarbeit zu Armut und Reichtum von Oberlandeskirchenrat Dr. Hans Christian Brandy. Dies setzte einen Schlusspunkt zu zahlreichen Andachten, Gottesdiensten und Gebeten zum Thema „Armut, Reichtum, Ausgrenzung und Integration“ als Herausforderung für Kirche und Sport.