Völkerverbindendes Projekt in Jerusalem

Historisches Wachstum Jerusalems in Augenschein nehmen

15. Dezember 2009


Im Herzen der Altstadt Jerusalems, nur eine Steinwurfweite von der Grabeskirche entfernt, steht die evangelische Erlöserkirche. Unter dieser befinden sich archäologische Ausgrabungen, die für das Verständnis des Neuen Testaments und der Kirchengeschichte von hoher Bedeutung sind. Die EKD-Stiftungen für das Heilige Land wollen nun ein neues, spannendes archäologisches Projekt auf den Weg bringen.

Das lohnt sich, denn schon bei früheren Ausschachtungsarbeiten zur Gründung der Erlöserkirche Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine imposante antike Mauer gefunden. Schnell war man der Überzeugung, die von dem jüdischen Schriftsteller Josephus Flavius erwähnte „Zweite Mauer“ – die Stadtmauer aus der Zeit Jesu – gefunden zu haben. Damit glaubte man, die Lokalisierung des Ortes der Kreuzigung Jesu und damit der heutigen der Grabeskirche bestätigen zu können: ein Beweis für die Echtheit des in der Grabeskirche gezeigten leeren Grabes schien damit in evangelischen Händen – beziehungsweise unter den Fundamenten der evangelischen Kirche - zu liegen.

Als die Erlöserkirche in Jerusalem ab 1970 gründlich saniert wurde, fanden unter der Leitung der damaligen Direktorin des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI), Dr. Ute Wagner-Lux, wissenschaftliche Ausgrabungen unterhalb des Kirchenschiffes statt. Das DEI konnte zwar den vermuteten Verlauf der „Zweiten Mauer“ nicht belegen. Stattdessen entdeckte man aber einen Steinbruch aus der Zeit Jesu. Auch aus ähnlichen Grabungen in der Nähe der Erlöserkirche schloss man auf einen Verlauf besagter „Zweiten Mauer“ unmittelbar östlich der Kirche. Der Bereich der Grabeskirche befand sich daher mit Sicherheit zur Zeit der Kreuzigung Jesu außerhalb der Stadtmauer Jerusalems, so wie es die Evangelien voraussetzen.

Diese Grabung unter der Erlöserkirche ist leider bisher regulär nicht zugänglich. Und dies, obwohl sie die großartige Möglichkeit bietet, die historische Stadtentwicklung Jerusalems von der Zeit Jesu bis heute nachzuzeichnen: vorchristliche Besiedlungsspuren liegen gleich neben byzantinischen Relikten und Kreuzfahrerbauten.

Dies soll sich aber nun ändern. Die EKD-Stiftungen im Heiligen Land  haben beschlossen das Projekt „Museale und touristische Erschließung der Altgrabung unter der Erlöserkirche in Jerusalem“ zu fördern. Künftig soll den Besuchern aus aller Welt mit einem unterirdischen Besucherleitsystem, 3-D-Rekonstruktionen und einer Dauerausstellung im Kreuzgang die Möglichkeit eröffnet werden, das historische Wachstum Jerusalems bei einem Besuch der Ausgrabungsstelle in Augenschein zu nehmen. In einem Kooperationsprojekt des DEI und der Fachhochschule Potsdam konnte mit finanzieller Unterstützung des Landes Brandenburg eine Machbarkeitsstudie für dieses interessante Projekt erstellt werden.

Voraussichtlich wird sogar das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland die Erschließung der Ausgrabung, die zum deutschen Kulturerbe im Ausland gehört, finanziell fördern. Vor allem bemüht sich aber der neue Förderverein des DEI, die notwendigen Mittel aufzubringen. Eine vom Förderverein verantwortete Spendenkampagne ist bereits angelaufen. Die EKD dankte im Rahmen der gemeinsamen Sitzung der Stiftungen, an der auch die Vorsitzende des Fördervereins, Frau Gabriele Förder-Hoff, teilnahm, dem im Juli dieses Jahres gegründeten Förderverein, der bereits Spenden für dieses wichtige Vorhaben sammelt.

Landesbischof Johannes Friedrich, der Vorsitzende der EKD-Stiftungen im Heiligen Land, hebt den Pilotcharakter dieses Projektes hervor: „Dieses Projekt ist völkerverbindend. Dafür stehen die Interdisziplinarität, die Vielfältigkeit der gewählten Methoden der Wissensvermittlung, der generationenübergreifende Ansatz und die Diversität der Zielgruppen. Einheimische, Pilger und Touristen, werden gleichermaßen zukünftig die Möglichkeit haben, diesen einmaligen und wichtigen Ausschnitt der Religions- und Kirchengeschichte mit einer Zeitreise kontextbezogen am authentischen Ort selbst zu erkunden.“