Buß- und Bettag - Maß statt Maßlosigkeit

Bischöfe: Gesellschaft braucht den Bußtag - Appell zur Neuorientierung

18. November 2009


Anlässlich des Buß- und Bettages haben evangelische Bischöfe zur Besinnung und zur Neuorientierung ermutigt. Die Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischöfin Margot Käßmann, riet zum Innehalten und Nachdenken. Sie erinnerte an den Suizid von Nationaltorwart Robert Enke und rief in ihrer Predigt in der Marktkirche in Hannover dazu auf, ein Leistungsdenken und -streben aufzugeben, dass allein "den Starken, Schönen und Erfolgreichen sieht". Vielmehr gehe es darum, dem anderen zuzugestehen, dass er seine starken Seiten zeigen und leben könne und trotzdem Schwächen eingestehen dürfe. Auch ein Gefühl von Leichtigkeit, Humor, Lebenslust und Lebensfreundlichkeit, so Käßmann,  gehöre zum Alltag dazu. Die Gesellschaft, müsse sich bewusst sein, dass "der Mensch kein perfektes Wesen ist". Am Mittwoch vergangener Woche hatte die Ratsvorsitzende in der Marktkirche zu Hannover eine bundesweit beachtete Trauerandacht für Robert Enke gehalten.

Den heutigen Buß- und Bettag nutzten auch andere leitende Geistliche der evangelischen Kirche für Akzentsetzungen. Angesichts der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt forderten der stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD und rheinische Präses Nikolaus Schneider gemeinsam mit dem Trierer katholischen Bischof Stephan Ackermann die Bundesregierung zum Schutz der Schwächsten auf. Im politischen Krisenmanagement müsse dem Sozialen wieder größere Bedeutung zukommen, hieß es in einer Erklärung der beiden leitenden Theologen zum Buß- und Bettag. Schneider und Ackermann warnen darüber hinaus vor einer Gefährdung des sozialen Friedens in Deutschland. "Wir müssen zu einem neuen Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfordernissen kommen". Wenn das gelinge, sei es möglich, "im Geist der sozialen Marktwirtschaft die Krise zu überwinden".

Die internationale Politik sei in ihrem Handeln auch auf eine spirituelle und ethische Dimension angewiesen, sagte der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, in Stuttgart. Bischof July warnte davor, den Bußtag dazu zu verwenden, um zuerst mit dem Finger auf andere zu zeigen. "Der Tag gibt Gelegenheit, den eigenen blinden Fleck im Leben zu suchen", betonte der Geistliche. Dadurch könne der Mensch sein Maß wieder finden und der Maßlosigkeit wehren.

Dem kurhessischen Bischof Martin Hein zufolge bieten das biblische Gebot der Nächstenliebe und die Zehn Gebote eine verlässliche Orientierung. Hein fügte hinzu, es sei die "große christliche Verheißung", dass jeder mit seiner Schuld zu Gott kommen könne und ihm um Jesu Christi willen vergeben werde. In Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise habe das Gefühl ökonomischer Sicherheit rapide abgenommen. Gerade der November erinnere die Menschen an die Vergänglichkeit des Lebens. Unter dem Titel "Was zählt noch?" haben die bayerische und die kurhessische Landeskirche eine Themenkampagne zum Buß- und Bettag gestartet. Auf der Internetseite www.busstag.de finden sich neben inhaltlichen Impulsen und einem Gottesdienstentwurf auch Veranstaltungsankündigungen und weitere Angebote. Bischof Hein steht am morgigen Donnerstag von 20 bis 21 Uhr für einen Chat über das Kampagnenthema zur Verfügung.

Der Buß- und Bettag ist für evangelische Christen ein Tag der Besinnung. Er wurde erstmals im Jahr 1532 in Straßburg gefeiert. Christen fragen in Gottesdiensten danach, wie sie ihr Leben entsprechend dem Evangelium gestalten können. Versagen und Schuld sowie Versäumnisse und Fehlentscheidungen werden vor Gott zur Sprache gebracht. Durch diesen Akt der Befreiung soll zugleich Trost und Hoffnung vermittelt werden. Als Zeichen der Versöhnung mit Gott wird in vielen Gemeinden das Abendmahl gefeiert. Lange Zeit war der Buß- und Bettag in Deutschland arbeitsfrei. 1995 wurde er zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer in Sachsen als gesetzlicher Feiertag gestrichen.