„Wozu sind Mauern da?“

Kirchengemeinde in Bogotá gedenkt des Falls der Mauer vor 20 Jahren

04. November 2009


„Wozu sind Mauern da?“ mit dieser Frage leitete Professorin Tatjana Louis von der „Universidad los Andes“ in Bogotá den Kindertag in der Kirchengemeinde San Mateo ein. „Hinter Mauern kann man sich verstecken!“ „Sie schützen uns vor Einbrechern!“ „Mauern baut man, wenn es einen großen Streit gegeben hat!“ überlegten die Kinder. Genauso war es ja auch, erklärte die Mutter von Gabriel und Emma, die seit kurzem Mitglied in unserer Gemeinde ist, den Kindern. Als am 13. August 1961 in Berlin die Mauer gebaut wurde, hatte es zuvor viel „Streit“ zwischen Deutschland Ost und Deutschland West gegeben. Mehr als 2,6 Millionen Menschen hatten den Osten verlassen, die damalige DDR drohte auszubluten. Begeistert nahmen die Kinder anschließend das Angebot an, mit richtigen Steinen und richtigem Zement auf dem Platz vor unserer Kirche eine Mauer zu bauen!

In Kolumbien ist man sich dessen bewusst, dass der Bau der Mauer – und 28 Jahre später ihr Fall – nicht nur ein innerdeutsches Problem markierte. Die Mauer teilte die Welt. Die Bitte eines Reporters von „Radio Caracol“ um ein Interview mit dem Pastor der deutschen evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde zur Bedeutung des Mauerfalls macht das deutlich. Das seinerzeit sozialistische Kolumbien wurde vom Ostblock finanziell stark gefördert und schickte Austauschstudenten nach Ostdeutschland. Auch die Sekretärin unserer Gemeinde, Yanira, studierte dort sechs Jahre lang und brachte u.a. gute Deutschkenntnisse mit zurück in ihre Heimat.

Der Fall der Mauer erschütterte die Aufteilung der Welt in zwei Blöcke; nicht zuletzt destabilisierten die Versuche, den „Sozialismus“ durch Unterstützung der Rebellenorganisationen wenigstens in Südamerika noch zu erhalten, auch Kolumbien. Die älteren Gemeindeglieder wissen viel davon zu erzählen.

Im „Nachmittag der Begegnung“ in unserer Gemeinde, einer monatlichen Zusammenkunft interessierter und lange in Kolumbien eingesessener Deutscher, wurden Erinnerungen an den Fall der Mauer wach. Das ungläubige Staunen über die Bilder und Nachrichten aus Deutschland, die am 9. November auch in Kolumbien gesendet wurden, war mit Händen zu greifen. Auch viele Familien der hier in Kolumbien lebenden Deutschen waren durch die Mauer geteilt, Lebenswege  zerschnitten worden. „Der Bau der Mauer war wie ein Stich ins Herz. Der Fall der Mauer ist ein Wunder Gottes!“, formulierte jemand. Mit viel Freude gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann daran, die Mauer, die die Kinder gebaut hatten, mit Parolen zu beschriften.

Am Abend des 9. November 2009 werden wir in unserer Kirchengemeinde San Mateo gemeinsam mit den Gliedern der deutschsprachigen katholischen Gemeinde San Miguel einen ökumenischen Gottesdienst aus Anlass des Falls der Mauer feiern. Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Kolumbien, Jürgen Christian Mertens, wird sich aktiv an diesem Gottesdienst beteiligen und symbolisch die Mauer einreißen.

Der Autor Edzard Siuts ist Pfarrer der Ev.-luth. Kirchengemeinde San Mateo in Bogotá