Höchster Kirchturm der Welt über der EKD-Synode

Und im Ulmer Münster weht der Geist des Ehrenamts

19. Oktober 2009


Wenn die Synodalen der EKD Ende Oktober über die Bedeutung des Ehrenamts diskutieren, dann hätten sie kaum einen passenderen Tagungsort finden können. Denn das Kirchenparlament tagt im Schatten des Ulmer Münsters. Dieses Gotteshaus bietet nicht nur den höchsten Kirchturm der Welt (161 Meter und 53 Zentimeter). Der Bau geht auch auf eine Initiative von "unten" zurück.

Während die meisten historischen Kirchen auf Geheiß eines Fürsten oder Bischofs errichtet wurden, waren es in Ulm die Bürger selbst, die für die Stadt ein Münster haben wollten. Und das in visionärer Größe: Zu einem Zeitpunkt, als Ulm gerade einmal 10.000 Einwohner hatte, konzipierten die Menschen eine Kirche mit 20.000 Stehplätzen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts ging das Münster in kirchlichen Besitz über, vorher hatte es über Jahrhunderte der Stadt gehört. Doch noch heute ist es selbst für viele aus der Kirche Ausgetretene "ihr" Münster.

Weniges war für die Stadt wie für die Landesgeschichte so prägend wie die Reformation. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg feiert in diesem Jahr ihr 475-jähriges Bestehen. Protestantismus und der darin geborene Pietismus hatten entscheidenden Anteil daran, dass aus Württemberg das Land der Dichter, Denker und Tüftler wurde.

Im frommen Bestreben, jeden zum Lesen der Bibel zu befähigen, startete das Land schon Mitte des 17. Jahrhunderts eine allgemeine Schulpflicht. Das Evangelische Stift an der Universität Tübingen wurde zur Kaderschmiede großer Geister: Der Astronom Johannes Kepler zählt zu den Absolventen, ebenso die Philosophen Hegel und Schelling sowie die Schriftsteller Mörike, Hölderlin und Schwab.

Zu den Besonderheiten der württembergischen Landeskirche mit ihren 2,3 Millionen Mitgliedern gehört die Basisdemokratie. Die Landessynode ist dort buchstäblich ein "Kirchenparlament". Dessen Mitglieder werden alle sechs Jahre unmittelbar von den Kirchenmitgliedern gewählt. Das ist in der EKD einzigartig.

Diese sogenannte Urwahl verstärkt die Identifikation der Protestanten mit ihrer Kirche, sorgt allerdings auch für vergleichsweise scharfe Fraktionsbildung in der Synode. Das hat in der Vergangenheit bei Bischofswahlen schon zu bis zu 17 Wahlgängen geführt, bis die Koalitionen für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kamen.

Württemberg ist bundesweit die Landeskirche mit der stärksten pietistischen Prägung. Der Wunsch nach einer Frömmigkeit, die sich nicht im Besuch des Sonntagsgottesdienstes erschöpft, zeigte sich in der Gründung von "Gemeinschaften", die sich werktags in Privathäusern zu Bibelstudium und Gebet trafen. Die von der Obrigkeit kritisch beäugte Bewegung wurde von Anfang an ganz überwiegend von Ehrenamtlichen getragen.

Der Pietismus wird in Württemberg viel weniger mit geistiger Enge verbunden als andernorts. So geht der erste Tierschutzverein in Deutschland auf einen Pietisten zurück. Das Engagement für Weltmission hat Württemberg Verbindungen in die Welt geschaffen, von denen das Land bis heute profitiert. Der europäische Entdecker des Kilimandscharo in Tansania etwa war der schwäbische Missionar Johannes Rebmann (1829-1876) aus einem Dorf bei Stuttgart.

Natürlich bleiben auch das "fromme" Württemberg und die ehemals freie Reichsstadt Ulm von Entwicklungen wie dem demografischen Wandel nicht verschont. Während Ulm einst stramm protestantisch war, gehört heute nur noch jeder vierte Einwohner zur evangelischen Kirche. Durch Eingemeindungen haben die Katholiken die Protestanten inzwischen überflügelt.

Das Ehrenamt hat in dieser Situation an Bedeutung eher zugenommen. Auch die bis zu 800.000 Menschen pro Jahr, die das Münster besuchen, begegnen vielen freiwilligen Helfern. Diese bieten im Auftrag der Kirche Führungen an oder stehen für seelsorgerliche Gespräche zur Verfügung. (epd)



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