Von Berlin nach Beirut

Ein neuer Pfarrer für die deutschsprachige evangelische Auslandsgemeinde

12. Oktober 2009


Während es in Deutschland merklich herbstlich und spürbar kühler wird, liegt über Beirut noch die Hitze. Jonas Weiß-Lange sitzt mit seiner Gattin Chris auf dem Balkon und schaut über die Skyline der Stadt, die nun für die nächsten Jahre ihr neues Zuhause sein wird. Von „B nach B“ sozusagen, denn bis Ende August lebten die beiden in Berlin.

Ein deutlicher Wechsel in vielerlei Hinsicht. Zumal es für die Eheleute Weiß-Lange der erste längere Aufenthalt im Nahen Osten ist. Im Gewimmel der libanesischen Hauptstadt haben sich die beiden rasch an einige der orientalischen Sitten und Alltäglichkeiten gewöhnt. Dabei hilft, dass der Libanon in vielem wahrnehmbar europäisch geprägt ist und eine deutliche Brückenfunktion zwischen den Kulturräumen ausübt. Über vieles staunt das Ehepaar aber doch, lässt sich herausfordern, locken und seine Neugier wecken.

Beim Einleben hilft engagiert die Kirchengemeinde: eine quirlige Schar von Deutschen und Deutschsprachigen, die vor allem im Großraum Beirut lebt. Eine kleine, aber lebendige Gemeinde. Sie hat es geschafft, 14 Monate ohne festen Pfarrer aktiv zu bleiben, da sich nach dem Dienstende des letzten Pfarrehepaars zuerst kein Nachfolger fand. Jeweils für einige Wochen sprangen ehemalige Pfarrer der Gemeinde ein. Zahlreiche Gemeindeglieder übernahmen Dienste und engagierten sich außerordentlich.

Die Gemeinde im Libanon und in Syrien, die seit 1856 besteht, ist bunt zusammengesetzt. Über die regulär eingeschriebenen Gemeindeglieder hinaus zählt sich ein großer Kreis an Menschen, die aus verschiedenen Gründen keine offiziellen Mitglieder werden können, dennoch zur Gemeinde. Zu ihnen gehören beispielsweise die zahlreichen mit libanesischen oder syrischen Muslimen verheirateten deutschen Frauen, die dem Gesetz nach zwar zum Islam konvertiert sind, nicht selten aber lebendigen Kontakt zur Kirche halten. Zum Gemeindeleben zählen schließlich auch die Menschen, die in der Kirche eine deutsche Kultur- und Gesellschaftseinrichtung sehen.

Als nächstes steht für Pfarrer Weiß-Lange der Gang zur syrischen Botschaft auf dem Plan. Es heißt, ein Dauervisum zu beantragen, denn jeden Monat hält der Beiruter Geistliche Gottesdienst in Damaskus, vierteljährlich zudem auch in Aleppo.

An diesem Sonntag wurde aber zunächst in Beirut ein fröhlicher Gottesdienst gefeiert: Pfarrer Weiß-Lange wird vom zuständigen EKD-Oberkirchenrat Jens Nieper in sein Pfarramt eingeführt. Die kleine historische Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Sie steht in einem Hinterhof, umringt von den für Westbeirut typischen graubraunen Hochhäusern – eines davon gehört der Gemeinde und beherbergt neben einer Reihe von Mietapartments die Pfarrwohnung und die Gemeinderäume. Auch hierher wird der Gottesdienst übertragen, weil nicht alle Interessierten im Gotteshaus Platz fanden.

Auf den Kirchbänken haben Vertreter vieler anderer im Libanon vertretenen Konfessionen Platz genommen. In der ersten Reihe sitzt auch ein sunnitischer Sheikh, mit dem die Gemeinde seit Jahren den interreligiösen Dialog führt.

Bei der Segnung des deutschen Pfarrers wirken auch der Pfarrer der französisch-reformierten Gemeinde und die Generalsekretärin des Verbundes der evangelischen Kirchen im Libanon mit: Frau Kassab hat besonders freudig ihr Mitwirken zugesagt und betont: „Ich bin so froh, dass es die deutschsprachige evangelische Kirchengemeinde hier gibt, denn sie lebt der libanesischen Gesellschaft und den Kirchen vor, dass Frauen und Männer gleichberechtigt vor Gott sind.“