Gedenken an den "Prediger von Buchenwald"

Zum 70. Todestag von Paul Schneider erscheint ein zeitgeschichtliches Lesebuch

17. Juli 2009


Am 18. Juli 1939 verstummte der "Prediger von Buchenwald". Mit einer Überdosis Strophantin wurde der evangelische Pfarrer Paul Schneider im Alter von 41 Jahren als eines der ersten Mitglieder der Bekennenden Kirche von den Nationalsozialisten ermordet. Davor lagen 15 Monate Einzelhaft im berüchtigten "Bunker" des Konzentrationslagers bei Weimar. Noch aus der Zelle heraus bezeugte Schneider seinen Glauben und prangerte Folter und Mord der Nazis an.

Siebzig Jahre nach seinem Tod wird Paul Schneider bewundert und verehrt, bisweilen aber auch mit Unverständnis betrachtet. War der rheinische Pfarrer aus Dickenschied im Hunsrück ein Märtyrer, wie zum Beispiel Dietrich Bonhoeffer meinte, oder ein Fanatiker? War er ein antifaschistischer Widerstandkämpfer, ein Glaubensheld oder ein christlicher Fundamentalist?

Einen unmittelbaren Blick auf das Leben des radikalen Christen gibt die Biografie "Prediger von Buchenwald", die Schneiders Witwe Margarete direkt nach dem Krieg veröffentlichte. Zum 70. Todestag liegt das lange vergriffene Buch in einer überarbeiteten Ausgabe vor. Vom Einband blickt das freundliche, jungenhafte Gesicht Schneiders, ein Ausschnitt aus einem alten Familienfoto, fünf Jahre vor seiner Ermordung. Die Neuausgabe ergänzt das 1953 erstmals in West-Berlin erschienene Buch mit zahlreichen Erläuterungen, Fotos und Dokumenten.

Margarete Schneider schrieb ihr Buch nach dem Zweiten Weltkrieg für Menschen ihrer Generation, die den Nationalsozialismus aus eigener Erfahrung kannten. Sieben Jahrzehnte nach der Ermordung Schneiders sei diese Zeit Geschichte, erläutert Herausgeberin Elsa-Ulrike Ross. "Es wird nicht mehr verstanden, warum er nicht schweigen konnte." Die pensionierte Weimarer Pastorin ist Vorsitzende der Pfarrer-Paul-Schneider-Gesellschaft und mit Paul Dietrich, einem Neffen von Margarete Schneider, verantwortlich für die Neuausgabe.

Der umfangreiche Band zeichnet den Weg Schneiders vom evangelischen Gemeindepfarrer zum Widerständler nach. Sein kompromissloser Glaube führte den am 29. August 1897 in Pferdsfeld bei Bad Kreuznach geborenen Pfarrersohn zwangsläufig in Konflikte mit dem NS-Staat, aber auch mit seiner rheinischen Landeskirche. Das Mitglied der regimekritischen Bekennenden Kirche wurde im Juni 1934 erstmals in "Schutzhaft" genommen, weitere Festnahmen folgten - etwa, weil er trotz staatlichen Verbotes die Kanzelabkündigung der Bekennenden Kirche verlesen wollte.

Im November 1937 kam Schneider aus dem Gestapo-Gefängnis Koblenz ins KZ Buchenwald. Nach monatelanger Zwangsarbeit im Steinbruch wurde er schließlich ab April 1938 im berüchtigten "Bunker" eingesperrt. Anlass war die Weigerung Schneiders, beim Häftlingsappell zu Hitlers Geburtstag die Hakenkreuzfahne zu grüßen. Die Konsequenz, mit der sich der Pfarrer nicht nur in dieser Situation den Machthabern widersetzte, beeindruckte Mithäftlinge immer wieder. Überlebende prägten das Bild des "Predigers von Buchenwald", der sich aus seiner Zelle heraus mit Bibelworten an die Gefangenen auf dem Appellplatz wandte.

Bis heute ist dieses Erinnerungsbild, das in dem Buch mit einer Häftlingszeichnung dokumentiert ist, ein fester Bestandteil des Gedenkens an die Nazi-Opfer weit über Buchenwald hinaus. Die Neuausgabe von Margarete Schneiders Buch wirft einen differenzierten Blick auf dieses Kapitel der NS-Zeit. Nicht zuletzt von Beiträgen über Konzentrationslager und über das Leben von Schneiders Witwe und ihren sechs Kindern nach 1939 erhoffen sich die Herausgeber "eine vertiefte Lektüre".

Überwunden wird das einst in der DDR geprägte einseitige Bild vom antifaschistischen Widerstandskämpfer. Stattdessen bekommt der Leser eine Vorstellung vom Menschen Paul Schneider, der das NS-Unrecht aus tiefer christlicher Überzeugung strikt ablehnte. Die Gedenkstätte Buchenwald würdigt diese Tatsache, indem sie den Kirchenmann nicht mehr wie früher im politischen Widerstand zeigt, sondern als Beispiel für die "Selbstbehauptung des Einzelnen" durch Kompromisslosigkeit in Glaubensfragen.

Die evangelische Kirche ehrt den am 18. Juli vor 70 Jahren von den Nazis ermordeten Pfarrer Paul Schneider. Der als "Prediger von Buchenwald" bekannte Theologe wurde 1939 als eines der ersten Mitglieder der Bekennenden Kirche von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Buchenwald getötet. Aus seinem Zellenfenster heraus hatte er seinen Mitgefangenen immer wieder Mut zugesprochen. In der KZ-Gedenkstätte Buchenwald soll am Samstag, dem Todestag Schneiders, mit einem ökumenischen Gottesdienst des evangelischen Theologen gedacht werden. (mit epd)

Buchhinweis: Margarete Schneider, "Paul Schneider - Der Prediger von Buchenwald", neu herausgegeben von Elsa-Ulrike Ross und Paul Dieterich, SCM Hänssler Verlag, Holzgerlingen, 528 Seiten, 12,95 Euro.