Zwischen Glücksgefühl und Psychoabsturz

Das Deutsche Hygienemuseum zeigt die Ausstellung "Arbeit. Sinn und Sorge"

01. Juli 2009


Ein Chirurg setzt sein Messer an, Studenten büffeln über mathematischen Formeln, ein High-Tech-Roboter hebt mit pumpender Hydraulik Platten auf eine Werkbank. Die Videofilme, großflächig auf die Wand geworfen, zeigen Szenen menschlicher und maschineller Arbeit. Die Tätigkeiten dienen dem Lebensunterhalt, der Karriere und dem Wohlstand; sie gelten als "nützlich". Doch nicht nur um "Nützliches" soll es in der neuen Sonderausstellung des Dresdner Hygienemuseums gehen. Seit dem 25. Juni wirft die Schau "Arbeit. Sinn und Sorge" einen kritischen Blick auf die Arbeitswelt.

Vorherrschende Ansicht über "nützliche" Arbeit greift nach Ansicht der Ausstellungsmacher meist zu kurz. Dabei wird zum Beispiel die Erziehung von Kindern oder die anstrengende Pflege von Angehörigen ausgeblendet, weil diese nicht bezahlt wird oder keinen "Mehrwert" erzeugt. Zudem bereitet der ständig wachsende Stress den Erwerbstätigen oftmals alles andere als Glücksgefühle.

Die Besucher werden in fünf Teilen mit zahlreichen Themen konfrontiert. In den Räumen, die in verschiedene Farben getaucht sind, geht es um den Sinn von Arbeit, um Bildung und Berufswünsche, Gesundheitsschäden und um die Zukunft der Erwerbstätigkeit. "Wir wollen eine andere Perspektive entwickeln", erklärt Kurator Daniel Tyradellis. In unserer Arbeitswelt sei alles auf "optimal" und "effektiv" getrimmt. "Menschliches" werde dagegen an den Rand gedrängt.

Die Ausstellung in deutscher und englischer Sprache zeigt kaum Exponate im herkömmlichen Sinn. Vielmehr will sie ihr Anliegen über zahlreiche Video- und Filminstallationen transportieren und den Arbeitsalltag aus dem Blick des einzelnen Menschen betrachten.

So erklären Jugendliche, welche Berufe - vom Pfarrer bis zum Pförtner - sie sich später vorstellen können und welche nicht. Frauen und Männer berichten in Interviews, wie viele Stunden sie pro Woche arbeiten. Ein Diagramm zeigt zudem den Anstieg von Ausfalltagen aufgrund psychischer Erkrankungen.

Zu den Höhepunkten dürfte der in Rot gehaltene "Maschinen-Raum" zählen. Er thematisiert die "Arbeit des Kapitals". An der Decke funkelt eine Spiegelkugel. Die neueste Sportschuhkollektion eines renommierten Herstellers und ein Berg mit 2.000 aufgeschütteten Plastikkrügen stehen als Symbol für die Warenwelt. Ihre Kehrseite ist der Zwang zur ständigen Steigerung der Produktivität und immer härtere Arbeitsbedingungen.

Kurator Tyradellis spricht davon, dass sich der Kapitalismus einer Erschöpfung nähere. Das Wachstum falle geringer aus und irgendwann sei eine Erholungszeit nötig. "Es gibt Hoffnung, dass sich was ändert", sagt er. Angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise und der Knappheit bezahlter Arbeit geht es ihm vor allem um mehr Akzeptanz gegenüber Erwerbslosen. "Wer nicht arbeitet, wird verachtet." Da gebe es noch viel zu lernen, so der Kurator.

Partner der Ausstellung ist die Kulturstiftung des Bundes. Sie schließt im Hygienemuseum ihr mehrjähriges Veranstaltungsprogramm "Arbeit in Zukunft" ab. Auch die künstlerische Direktorin der Stiftung, Hortensia Völckers, registriert derzeit einen Übergang in eine Gesellschaft, in der Arbeit kein "normatives Gerüst mehr für Biografien darstellt und sich Berufsbilder verflüssigen". Die ehemals feste Verbindung zwischen Arbeit und Lebensunterhalt löse sich allmählich auf, meint sie.

Durch die Ausstellung zieht sich eine "Dingspur" mit archetypischen Gegenständen wie Krug, Hammer, Papier, Puppe und Schuh. Sie stehen als Symbole für Arbeit und ihre Produkte. Daneben läuft an den Wänden ein Statistikband entlang. Es informiert zum Beispiel über Preisentwicklung und staatliche Ausgaben für Bildung.

Der letzte Raum ist der Zukunft der Arbeitswelt gewidmet. Auf reihum aufgestellten Bildschirmen sind die Statements zahlloser Talkshow-Experten aus Politik und Gesellschaft zu sehen. Daneben werden an Hörsäulen Konzepte erklärt, mit denen der hohe Stellenwert der Erwerbsarbeit relativiert werden soll, von denen die Experten aber wohl wenig halten werden. Denn zu den erwähnten Ideen gehört nicht nur die für ein staatliches Bürgergeld in Höhe von 1.500 Euro, das jedem, der es haben will, als Ersatz für Sozialleistungen ausgezahlt wird, sondern auch der Vorschlag, erst mit 40 Jahren mit der regelmäßigen Arbeit zu beginnen.

Die Ausstellung ist bis 11. April 2010 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. (epd)

Entwicklung der Ausstellung „Arbeit. Sinn und Sorge“

Deutsches Hygienemuseum Dresden