In der Nazizeit kompromisslos gegen Anpassung gekämpft

Der Querdenker und Theologe Paul Schempp starb vor 50 Jahren

03. Juni 2009


Der Theologe Paul Schempp (1900-1959) war ein unangepasster Mensch. Der Kriegsfreiwillige des Ersten Weltkrieges und Freikorpskämpfer des Jahres 1919 wandelte sich während der NS-Zeit zu einem profilierten Mitglied der regimekritischen "Bekennenden Kirche". Seine Überzeugung verfocht er kompromisslos. Dabei scheute er keinen Streit mit der in seinen Augen zu nachgiebigen Kirchenleitung. Am 4. Juni 1959, vor 50 Jahren, ist er in Bonn gestorben.

Geboren wurde Schempp am 4. Januar 1900 in Stuttgart als Handwerkersohn aus einer frommen, pietistisch geprägten Familie. Schon früh wurden ihm Begabung und Intelligenz, aber auch ein "ausgeprägter Eigensinn" bescheinigt. Den bewies der Jungtheologe schon kurz nach dem Studium, das er in Tübingen, Marburg und Göttingen absolvierte. Im Jahre 1930 wehrte er sich gegen ein neues Kirchenbuch, dessen Gebetstexte nach seiner Überzeugung in krassem Gegensatz zum lutherisch-reformatorischen Erbe standen. Dieser Streit führte zur Gründung der "Kirchlich-Theologischen Sozietät".

Ein Jahr darauf weigerte sich Schempp - zwischenzeitlich Gemeindepfarrer - Kirchensteuer gerichtlich eintreiben zu lassen. Die Kirchenleitung versetzte den Aufmüpfigen deshalb in den Schuldienst. Er wurde 1933 jedoch entlassen, weil er auf dem Weg ins Klassenzimmer gesagt hatte: "Jetzt gehe ich zu meinen künftigen Kriegerwitwen!" Schempp wurde schließlich Gemeindepfarrer im entlegenen Iptingen.

Von dort aus führte der Teilnehmer der Bekenntnissynoden von Barmen, Dahlem und Oeynhausen mit zunehmender Schärfe eine Auseinandersetzung mit der Kirchenleitung in Stuttgart. In den Augen Schempps war sie zu lasch, zu nachgiebig, zu kompromissbereit und taktierte politisch. Landesbischof Theophil Wurm, der zunächst den regimetreuen "Deutschen Christen" nahestand, seit 1934 aber zur "Bekennenden Kirche" gehörte, warf er einen "Zickzackkurs" vor.

Der Konflikt eskalierte, als im Jahr 1938 auch die Landesbischöfe der nicht Nazi-hörigen sogenannten "intakten Kirchen" - zu ihnen gehörte Wurm - von ihren Pfarrern den Eid auf Adolf Hitler verlangten. Es kam zu polemischen und sehr persönlichen Angriffen Schempps. So sandte er seine an den Oberkirchenrat gerichteten Briefe "An die Gottlosenzentrale in Stuttgart" oder er bezeichnete die Kirchenleitung als "Judaskirchenregiment". 1939 wurde Schempp seines Pfarramts enthoben.

Nun stellte sich aber - und das inmitten der NS-Diktatur - die Kirchengemeinde hinter ihren Pfarrer, den sie "als tüchtigen, treuen, hilfsbereiten, freundlichen Seelsorger und guten Prediger" schätze. Der Kirchengemeinderat akzeptierte die Entlassung Schempps nicht und sagte sich von der Landeskirche los. Mit der so eingesparten Kirchensteuer kamen die Gemeindemitglieder für den Unterhalt des Pfarrers und seiner Familie auf.

1943 verzichtete Schempp nach Vermittlungsversuchen aus der "Bekennenden Kirche" von sich aus auf das Pfarramt, trat aus der Kirche aus und arbeitete als Kaufmann in Kirchheim/Teck. Dort half seine Familie, jüdische Flüchtlinge zu verstecken. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft wurde Schempp Pfarrer der evangelisch-reformierten Kirche in Stuttgart.

Die Auseinandersetzung mit der Kirchenleitung ging aber zunächst weiter: Schempp warf dem Landesbischof vor, nach der Katastrophe des Krieges eine schuldhafte Verstrickung der Kirche zu ignorieren und eine kirchliche und politische Restauration zu betreiben. Entschieden polemisierte er gegen die in seinen Augen "ungeistliche Behördenkirche". Als einer der Ersten setzte sich Paul Schempp nach 1945 für eine Erneuerung der Beziehungen zum Judentum ein und forderte die Kirche auf, ihre Schuld gegenüber den Juden klar zu bekennen - was im "Stuttgarter Schuldbekenntnis" vom Oktober 1945 nicht geschehen war.

Erst 1948 kam es zu einer versöhnenden Aussprache zwischen Schempp und Wurm. Der renitente Pfarrer erhielt sein Predigtrecht zurück und wurde Religionslehrer in Stuttgart. 1958 schließlich wurde Schempp als Theologieprofessor nach Bonn berufen, er starb am 4. Juni 1959 nach kaum zwei Semestern Lehrtätigkeit. (epd)