Luthers Welt aus der Müllgrube

Sonderausstellung zeigt archäologische Spuren des Reformators und seiner Zeit

02. Juni 2009


Dankbar können die Archäologen dem "schwarzen Tod" sein. Die Pest, die im Mittelalter in Europa viele tausend Menschen dahinraffte, hat zumindest für die Grabungswissenschaftler etwas Gutes. "Die Leute warfen aus Angst vor Ansteckung komplette Wohnungseinrichtungen aus dem Fenster in die Müllgrube", erzählt Harald Meller, Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. So geschah es auch im 16. Jahrhundert im Elternhaus des Reformators Martin Luther (1483-1546) in Mansfeld, als die Bewohner in Panik ihr Inventar in einen Graben kippten.

Seit 2003 förderten Archäologen Funde aus Luthers Geburtshaus in Eisleben, seinem Elternhaus und dem Lutherhaus in Wittenberg zutage. "Fundsache Luther - Archäologen auf den Spuren des Reformators" heißt die Sonderausstellung in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen, die spannende Einblicke in das Privatleben des Kirchenreformers bietet. Rund 600 Exponate, neben Grabungsfunden auch Leihgaben aus Sammlungen und Museen, werfen Licht auf den Privatmann Luther und sein Lebensumfeld.

"Der öffentliche Mensch Luther war bisher fast unbekannt", sagt Denkmalpfleger Meller, der mit seinen Mitarbeitern den Spuren des Stammvaters des Protestantismus folgte. Per Zufall seien die Wissenschaftler auf die Idee gekommen, im Hausmüll der Familie Luther nach Erkenntnis zu wühlen. Scherben von teueren venezianischen Gefäßen im Elternhaus, Münzen, Kleiderreste und auch Tierknochen in seinem eigenen Wohnhaus bewiesen, dass das Bild vom armen, bescheidenen Reformator neu gezeichnet werden musste.

Der streitbare Augustinermönch, der den Reichtum und ausschweifenden Lebenswandel der katholischen Amtskirche geißelte, habe gerne von sich behauptet, aus niedrigen, gar ärmlichen Verhältnissen zu stammen. Dass die Bergwerksunternehmerfamilie Luther durchaus reich war, lasse sich auch am archäologisch nachgewiesenen Speiseplan festmachen: "Der nur Adeligen vorbehaltene Auerhahn kam bei Luthers auf den Tisch", weiß Meller.

In tiefen Kompostschichten fanden sich viele Indizien für einen gutbürgerlichen Wohnkomfort von Luthers Eltern, aber auch seiner eigenen Familie. Kriminalistisch gingen die Archäologen vor, um sicher zu gehen, "dass Luther drin ist, wo Luther draufsteht", scherzt Denkmalpfleger Meller. Denn zahlreiche Reliquien, die die Luther-Gefolgsschar über die Jahrhunderte aufbewahrte, hätten sich als falsch erwiesen. Mit Hilfe alter Stadtpläne und Adresslisten sei aber belegt, dass der gefundene glasierte Teller, der Trinkbecher und die Kinderarmbrust tatsächlich der Luther-Familie gehört hätten.

"Das ist eine hoch interessante Begegnung mit Luther", würdigt Friedhelm Klein, Vorsitzender der evangelischen Stadtsynode in Mannheim. Die Ausstellung mache deutlich, dass der Protestant kein evangelischer "Säulenheiliger" sei. Vielmehr werde der oft als Ikone verehrte Stammvater des Protestantismus als "Mensch aus Fleisch und Blut, mit all seinen Fehlern" lebendig.

Erfreute sich Martin Luther als Kind einst selbst am Spielzeug, das die raffiniert ausgeleuchtete Ausstellung in den guckkastenähnlichen Vitrinen zeigt? Trank der Reformator später sein Bier wirklich aus dem riesigen Humpen, gehörten Silberketten und Ringe seiner Frau Katharina von Bora oder seinen Kindern? "Das ist der kollektive Hausrat", formuliert Archäologe Meller. "Er zeigt die Welt des 16. Jahrhunderts aus der Grube." Ob Luther selbst die Murmel in der Hand hielt oder seine Schwester, diese Frage bleibe letztlich unbeantwortet.

Die Ausstellung wird von einem Veranstaltungsprogamm umrahmt, auch gibt es einen Begleitband. Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr, montags geschlossen. (epd)

„Fundsache Luther“ – Archäologen auf den Spuren des Reformators