"Mensch, wo bist du?"

Das Bremer Kirchentagsmotto lud zum Wortspiel ein

23. Mai 2009


"Bahn, wo bist du? - Bahn, wann fährst du?", stöhnte eine junge Kirchentagsbesucherin, die auf dem Bremer Hauptbahnhof vergeblich auf ihren Zug wartete. Eine Sprechblase mit dem Bibelzitat "Mensch, wo bist du?" war die Losung des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Bremen. Selten hat ein Kirchentagsmotto die Besucher so kreativ herausgefordert. Mit "Mensch, wo bist du?" wurde eine Losung des Protestantentreffens erstmals als Frage formuliert

Das Bibelzitat stammt aus dem Schöpfungsbericht: Gott verbietet Adam und Eva im Paradies vom Baum der Erkenntnis zu essen. Sie tun es aber dennoch, schämen sich und verstecken sich vor ihm unter den Bäumen im Garten Eden. "Und Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?" Dann vertreibt Gott in seinem Zorn beide aus dem Paradies und prophezeit ihnen ein Leben mit Mühen, Schmerzen und Plagen. Viele Theologen nutzten das Motto in ihren Bibelarbeiten.

Abseits der Bibelarbeiten aber wurde das Motto sehr viel lockerer genutzt. "Mensch, wo campst du?" war der Hinweis für diejenigen Besucher, die gern im Zelt übernachten. In einigen Männertoiletten hingen Sprechblasen mit dem Hinweis "Mensch, das Pissoir ist defekt". Am Stand der Predigthilfe "kanzelamt" prangte "Mensch, wat willst du?", und die Adventisten warben mit "Mensch, wann ruhst du?" für den Sonntagsschutz. Das kürzeste Motto hatten die Schwaben mit ihren T-Shirts: "Mensch, wo bisch?". Auch die Kircheneintrittsstelle warb um neue Mitglieder mit "Mensch, tritt ein!"

Zahlreiche Plakate in der Stadt nutzten die Losung. Die Bremer SPD begrüßte die Gäste mit dem Slogan "Mensch, schön, dass du da bist". Die Sparkassen warben mit "Sparkasse, wo bist du?" und lieferten mit einem Stadtplan die Antwort gleich mit. Auf dem Plakat für den Motorrad-Gottesdienst waren die Bremer Stadtmusikanten auf einer riskanten Motorradfahrt zu sehen - darüber der Slogan "Mensch, wo bremst du?"

Beantwortet wurde die Frage aber vor allem aber durch die vielen, vielen Besucher, die am Kirchentag teilnahmen, denn sie waren “hier” in Bremen,auf dem Messegelände, im Hafengebiet oder in der Innenstadt. Ernste Themen, fröhliche Menschen, fesselnde Bibelarbeiten und spannende Diskussionen sorgten für einen rundum gelungenen Kirchentag, der – dies muss allerdings auch angemerkt werden – jedoch nicht viele neue Aussagen brachte. Doch wie auch, wenn im hektischen Alltagsgeschehen von Politik, Kirche und Gesellschaft schon viele Argumente pro und contra in der Öffentlichkeit ver- und aufgebraucht waren.

Das evangelische Medienzelt auf der Bürgerweide entwickelte sich zum Publikumsmagneten. Das Programm, die prominenten Interviewpartner, die Musik und die gute Stimmung zogen die Besucher vom Morgen bis zum Abend an. Zu einem Highlight entwickelte sich die Twitter-Aktion des neuen Internet-Portals evangelisch.de, die einen Rekord zum Ziel hat: mit jeweils nur 140 Zeichen sollten Bibelverse kreativ in eine inhaltliche Kurzform gebracht werden – und am Pfingstsonntag soll der Rekord stehen: die Bibel im Twitter-Format.

Als Beispiel für die Kreativität der vorwiegend jungen Menschen der Beitrag einer jungen Frau, die den nicht einfachen Text aus dem  Hohenlied Salomos 8,1 interpretieren sollte und sie so zusamenfasste:

“Wenn ich Dich sehe muss ich Dich küssen. Ich stelle Dich meiner Mutter vor. Wir trinken Wein und kuscheln. Liebe ist unauslöschbar.”

Man darf gespannt sein, ob nach Pfingsten der Rekord wirklich gemeldet werden kann.

Und während der Kirchentag hier in Bremen in seine Endphase geht, hoffen alle schon jetzt, dass am Ende die Besucher sagen: "Mensch, ich war dabei!"