Stammtischgespräche

Projekt des Monats der Internetplattform „Kirche im Aufbruch“

15. Mai 2009


„Was ich den Pfarrer schon immer einmal fragen wollte“ – „Fragen nach Gott und der Welt“ Einen Karton mit dieser Aufschrift fanden die Besucher einer Gastwirtschaft in dem kleinen Ort Ostramondra in Thüringen vor einiger Zeit am Tresen vor. Zuvor hatte der Inhaber des Lokals dem evangelischen Pfarrer des Ortes über ein Gespräch an der Theke berichtet. Dort wurde über die Frage diskutiert, ob man auch in der Kirche heiraten kann, wenn einer der Brautleute nicht in der Kirche ist. Der Pfarrer bemerkte den offensichtlichen Informationsbedarf und sah gleichzeitig eine gute Möglichkeit, mit den Menschen des Ortes ins Gespräch zu kommen. So entwickelte er die „Stammtischgespräche“.

An mehreren zusammengestellten Tischen des Wirtshauses sitzen Männer und Frauen aus dem Ort zusammen. Etwa ein Viertel sind keine Kirchenmitglieder. Hinzu kommen etliche Kirchenmitglieder, die der Kirche sehr distanziert gegenüber stehen. Somit erreichen die Stammtischgespräche, die in einer ländlichen Diasporaregion Ostdeutschlands stattfinden, bemerkenswert viele kirchenferne Menschen. Gerade für sie ist dieses Angebot an diesem besonderen Ort gedacht. Bei vielen von ihnen ist die Hemmschwelle, eine Kirche oder ein Gemeindehaus zu betreten, sehr hoch. Auch sind die Berührungsängste gegenüber Pfarrern in der lockeren Atmosphäre eines Gasthauses geringer.

Die bereitgestellte Box für die Fragezettel hatte Aufsehen erregt und war im Lauf der Zeit gut mit Fragen gefüllt worden. Die Bandbreite der angesprochenen Themen ist weit: „Welches Alter muss man für Taufe und Konfirmation haben?“,  „Mein Freund ist evangelisch und ich bin konfessionslos – Können wir unser Kind taufen lassen?“, fragen beispielsweise Eltern. Jemand, der sich mit Bauernregeln beschäftigt, möchte wissen, wer der heilige Pankratius war. Fragen nach dem Kirchenjahr werden immer wieder gern gestellt. Gerade aus ihnen entwickeln sich längere Gespräche über die Grundelemente christlichen Glaubens: „Was soll ich von der Auferstehung Jesu halten?“ „Was feiern wir denn bloß zu Pfingsten?“

Oft ist das Christentum erst dann wieder interessant, wenn man etwas von anderen religiösen Gruppierungen gehört hat. Gerade hier zeigt sich dann auch, wie wichtig es ist, eine niedrigschwellige Gesprächsmöglichkeit anzubieten. So lässt sich dann leicht auf Fragen wie „Sind die Christen eine Sekte?“ eingehen.

Wichtig bei den Stammtischgesprächen ist, dass sie kein thematisches Seminar oder Glaubenskurs sind. Der Abend muss sich auch nicht auf die vorher eingereichten Fragen beschränken. Wie in jeder Diskussion ergeben sich im Verlauf ganz neue Fragen. Somit sind die Abende auch eine Herausforderung für den Pfarrer, der sie leitet. Fallen den Teilnehmenden keine Fragen mehr ein, mündet das Gespräch in eine Unterhaltung über private und andere Themen. Oft kommen dann auch noch Gäste des Lokals von anderen Tischen dazu. Sie haben die „Stammtischgespräche“ vielleicht am Rande erfolgt und erleben, dass der Pfarrer in der Gastwirtschaft mitten im Ort für die Menschen da ist und ihnen zuhört.