"Arbeit wie Meditation"

Dresdner Diakonissen backen Hostien für Abendmahlgottesdienste

03. April 2009


Mit kurzen harten Tönen stößt die Stanze auf die Oblatenplatte. Klack...klack...klack klingt es, wie ein sehr langsam tickendes Metronom. Claudia Ripp legt Hostie für Hostie nach dem Ausstanzen sorgfältig in einen Korb. Sie ist Mitarbeiterin der Oblatenbäckerei in der evangelisch-lutherischen Diakonissenanstalt in Dresden. Wieder bedient sie die Stanze per Fusspedal. Klack...klack...klack. In der hellen Backstube ist, abgesehen vom Dresdner Straßenverkehr, sonst nur wenig zu hören.

"Wir wollen hier kein Stressbetrieb sein, die Arbeit hat viel mit Meditation zu tun", sagt Christine Ullmann. Die 62-jährige Diakonisse leitet die Dresdner Hostienbäckerei - eine von gut einem halben Dutzend evangelischen und mehreren katholischen Oblatenbäckereien in Deutschland. Fast eine Million Hostien, die bei Abendmahlgottesdiensten wie am Gründonnerstag, an Karfreitag oder Ostern verteilt werden, verlassen pro Jahr die Backstube. Der 1866 gegründete Traditionsbetrieb liefert vor allem an evangelische Kirchengemeinden in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Berlin, aber auch in die westlichen Bundesländer und ins Ausland.

Christine Ullmann, die jahrzehntelang im benachbarten Diakonissenkrankenhaus gearbeitet hat, musste sich für die neue Arbeit erheblich umstellen. "Im Krankenhaus änderte sich vieles in kürzester Zeit, hier ist jetzt alles sehr langlebig", sagt sie. Besonders fasziniert sie die einfache Rezeptur für die Hostien: "Zutaten sind nur Weizenmehl und Wasser", sagt sie, wie im Alten Testament beschrieben.

Die wenige Zentimeter großen und hauchdünnen Hostien werden beim Abendmahl zusammen mit Wein an die Gläubigen verteilt. Nach dem Kirchenverständnis begründete Jesus von Nazareth das Abendmahl, als er am Gründonnerstag das letzte gemeinsame Mahl mit seinen Jüngern vor dem Kreuzestod einnahm. Im Teilen von Brot und Wein suchen Christen eine besondere Nähe zu Gott.

Auch in der Backstube hängt ein Kruzifix an der Wand und erinnert an den Kreuzestod Jesu. Vor zwei rollbaren Mehltonnen aus Edelstahl erklärt Christine Ullmann dann die Herstellung: Zunächst knetet eine Maschine den Teig. Dann wird eine 35 Zentimeter große Oblatenplatte bei 135 bis 140 Grad Celsius gebacken.

Die Scheibe, auf der 69 Hostien vorgeprägt sind, kommt in einem feucht-kühlen Raum. "Sie muss geschmeidig werden, damit sie beim Stanzen nicht zerbricht", erklärt Ullmann. Rund 15.000 Hostien verlassen pro Woche die Diakonissenanstalt, in Wochen vor kirchlichen Festen auch bis zu 40.000. In Seidenpapier verpackt, gehen sie in 500er- und 1.000er-Päckchen auf die Reise. Auch katholische Gemeinden hätten schon bestellt. "Bei den Hostien gibt es keinen Unterschied zu den Protestanten", sagt Ullmann. Erst die sogenannte Wandlung durch einen Geistlichen macht die Hostie nach katholischem Verständnis zum Leib Christi.

Symbolisch ist auf den kleinen Scheibchen ein Kruzifix oder ein Osterlamm mit Siegesfahne als Zeichen der Auferstehung zu sehen. Eine Besonderheit ist zudem die größere sogenannte Schauhostie. Sie wird während der Einsetzungworte zum Abendmahl in vier Teile gebrochen.

Unterstützt wird Christine Ullmann, die sich auch im neuen ambulanten Hospizdienst der Diakonissenanstalt engagiert, unter anderen von zwei hörbehinderten Frauen. Gibt es Großbestellungen, helfen Diakonissen der Schwesternschaft aus. Der Betrieb stütze sich sehr stark auf ehrenamtliche Helfer. Anders könne die Hostienbäckerei kaum überleben, sagt sie.

Stolz ist Christine Ullmann auf eine kleine Ausstellung, die demnächst eröffnet werden soll. Zu sehen ist dann zum Beispiel ein gasbetriebenes Backeisen von 1925. Die Ausstellung berichtet auch über die Arbeit nach den schweren Bombenangriffen auf Dresden 1945 oder über das Sommerhochwasser von 1958, als die Hostienkartons den Schwestern entgegenschwammen.

Auch das Personal aus dem benachbarten Krankenhaus kommt gelegentlich, um einen Ausgleich zum Alltagsstress zu finden. "Man fühlt sich Jahrzehnte zurückversetzt", berichten Mitarbeiterinnen von der Arbeit in der Hostienbäckerei, "und bedenkt unweigerlich den geistigen Wert einer Hostie im Abendmahl". (epd)

Evangelisch-Lutherische Diakonissenanstalt Dresden