„Unser Fastelovend – himmlisch jeck“

Beim Kölner Karneval sind die Protestanten mit dabei

19. Februar 2009


Der Karneval teilt Deutschland in zwei Großregionen auf, die Karnevalshochburgen, wo die fünfte Jahreszeit ausgiebig gefeiert wird, und den Rest Deutschlands, der nur vier Jahreszeiten kennt. In den Karnevalsgebieten überlassen jedoch die Protestanten das Feiern meist lieber den anderen – doch das muss nicht sein. Das Beispiel der Kölner Evangelischen zeigt, dass auch die traditionelle Rollenteilung der Konfessionen zwischen katholisch-frohsinnigem Karneval und protestantischer Ernsthaftigkeit und Askese zumindest im Rheinland nicht mehr gilt. Schon seit 14 Jahren gibt es in Köln eine protestantische Karnevalssitzung. "Eigentlich wünschen wir uns, dass das gar nichts besonderes mehr ist", sagt Dorothee Schaper vom Prot's Sitzungspräsidium. Das Klischee, dass Protestanten nicht feiern können, stimme sowieso nicht „Protestantisch ist lustig mit Anspruch,“ heißt es aus dem Sitzungspräsidium.

An fünf Abenden im Karneval platzt dann die Auferstehungskirche in Köln-Bocklemünd aus allen Nähten und der Prot‘s-Löffel, der offizielle Orden der Prot‘s-Sitzung, kreist über der Sitzung. 400 protestantische Jecken fasst der Gemeindesaal, sie kommen – natürlich kostümiert - aus Köln, aus dem Umland und sogar aus Düsseldorf und nehmen sich für einen Abend nicht so wichtig und lassen sich von den Bühnenakteuren auf die Schippe nehmen.

Die Sitzungsleitung liegt natürlich nicht beim Kölner Dreigestirn, sondern bei den drei Heiligen Königen, wie schon zuvor, so auch dieses Jahr unter der Führung von Otmar Baumberger, Pfarrer aus Dellbrück. Gemeinsam mit den beiden „Königinnen“ Gundula Schmidt und Dorothee Schaper stand im Calvin-Jahr 2009 bei der Sitzungsleitung „Kochen mit Calvin“ auf dem Programm. „Das heißt, man muss alles weglassen, was lecker ist“, erklärte Baumberger. Zum krönenden Abschluss des kargen Mahls gönnten sich die drei Könige – man mag es kaum glauben – einen Genever: „Da mag man gar nicht an die Sünde denken“, so Baumberger.

Die „Sünde“ ist das Hauptthema im „himmlischen Sündenregister“, dessen katholischer Sachbearbeiter mit der protestantischen Sicht der menschlichen Verfehlungen überfordert war: „Wir sind doch nicht dafür verantwortlich, dass ihre Mutter ihnen von diesem Sündenregister nichts erzählt hat. Ach Luther meinen Sie, nicht ihre Mutter“, konnte zumindest ein Missverständnis mit einem Evangelischen am Telefon aufgeklärt werden. Damit der Protestant eine ordentliche Sündenerklärung für 2008 ausfüllen kann, empfahl der Sachbearbeiter die „Anlage P“. Und einen Tipp hat er auch noch für den armen Sünder: „Der Erzengelausschuss hat die Leidenspauschale für das Hören einer evangelischen Predigt verdoppelt, ohne Sitzkissen vervierfacht.“

„Verzicht“ ist eines der Themen, die aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Bei einer Modenschau hat man „hochgradig ausgemergelte Models“ entdeckt, auch die protestantische Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ bekam ihr Fett weg, schließlich reiche es nicht, nur auf die Sahne beim Nachtisch zu verzichten, und ein arg verklemmter Bischof fordert den „Verzicht auf unverschleierte Pfarrerinnen, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit“.

Alle fünf Sitzungen waren schon seit Monaten ausverkauft. Der Erlös des jecken Treibens ist für die Flüchtlingsarbeit des Diakonischen Werkes Köln und Region bestimmt.

Aber auch bei den Karnevalsumzügen beteiligen sich die Kölner Protestanten. In der Session 2007 waren sie mit einem eigenen Wagen dabei und stimmten sich und die Kölner auf den Kirchentag in der Domstadt ein. Beim diesjährigen Motto des Rosenmontagszuges „Unser Fastelovend – himmlisch jeck“ hat sich das Festkomitee des Kölner Karnevals gleich zwei Vertreter eingeladen, die den direkten Draht nach oben haben. Beim feierlichen Beginn des Kölner Rosenmontagszuges an der historischen Severinstorburg im Herzen der Kölner Südstadt sind der evangelische Stadtsuperintendent Rolf Domning und der katholische Domkapitular Heiner Koch mit dabei. Die Protestanten sind angekommen mitten im Kölner Karneval.