„Wir engagieren uns“

Ökumenische Tagung zum ehrenamtlichen Engagement in Kirche und Gesellschaft

02. Februar 2009


Demenzkranke betreuen, Hausaufgabenhilfe anbieten, „überschüssige“ Lebensmittel für „Die Tafel“ einsammeln –  die Nachfrage ist groß, Ehrenamt hat Zukunft. Aber welcher Rahmenbedingungen bedarf es, um Menschen für den freiwilligen Einsatz zu begeistern? Wie kann eine Vernetzung mit Partner in Kultur, Wirtschaft und Politik gelingen? Und wie können Ehrenamtliche bei Aufgabenentwicklung und Planung mit eingebunden werden? Die ökumenische Tagung zum ehrenamtlichen Engagement in Kirche und Gesellschaft, die vom 30. –31. Januar in Köln stattfand, bot keine Patentrezepte aber vielfältige Anregungen, Erfahrungsaustausch und Fakten. Wissenschaftler präsentierten Forschungsergebnisse, Experten berichteten aus der Praxis, 22 innovative Projekte aus evangelischen und katholischen Verbänden, Einrichtungen und Gemeinden stellten sich vor. Rund 300 Teilnehmer diskutierten in neun Foren und überarbeiten Thesen zum ehrenamtlichen Engagement in Kirche und Gesellschaft. Veranstaltet wurde die Fachtagung vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

„Gerade in Zeiten der Krise ist es wichtig, dass sich viele Menschen für andere engagieren. Die Kirchen können einen Beitrag dazu leisten, dass ehrenamtliche Arbeit noch attraktiver wird“, sagte Barbara Rinke, Präses der Synode der EKD, in Köln. Auf die Problematik, wie im ehrenamtlichen Engagement der Übergang von einer Generation zur nächst folgenden gelingen kann, ging Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, Präsident des ZdK ein. Es sei unvermeidlich, dass der Wechsel in der Verantwortung begleitet ist von einem Wechsel in den Einstellungen und Arbeitsformen. „Wichtig ist, dass die Grundhaltungen weiter getragen werden. Und das sind: Der Einsatz um der anderen und um des Gemeinwohls willen.“

Wird Geld und Personal knapp, so gibt es im Staat wie in der Kirche die Neigung, immer mehr Aufgaben auf das Ehrenamt zu übertragen. Wer sich jedoch freiwillig engagiere, sei weder Lückenbüßer noch Wasserträger – das war mehrheitlich die Meinung der Experten und Tagungsteilnehmer/-innen. Freiwillig Aktive machen auf Missstände aufmerksam, sie fragen kritisch nach. Sie fordern Transparenz, Partizipation und klare Absprachen mit Hauptamtlichen. „Ehrenamtliche haben ein feines Gespür für Gottes Rechte und Gebote“, betonte Petra Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Wer etwas tun will, der will auch mitbestimmen“, ergänzt Hans Joachim Meyer.

36 Prozent aller Bundesbürgerinnen und -bürger ab 14 Jahren engagieren sich ehrenamtlich, das sind mehr als 23,4 Millionen Menschen. Weiter 34 Prozent können sich ein Ehrenamt vorstellen, ergab der zweite Freiwilligensurvey (Studie des BMFSFJ, 2004). Besonders aktiv sind die 14- bis 29-Jährigen. Es lohnt sich Menschen in jungen Jahren für Freiwilligendienste zu gewinnen. Sie bleiben mit großer Wahrscheinlichkeit ein Leben lang aktiv. Der Einstieg ins Ehrenamt wird in der Regel dadurch erleichtert, dass die Verpflichtungen zeitlich überschaubar und befristet sind. Die Nachbarschaftsinitiative „Eine Stunde Zeit Kitzingen“ hat beispielsweise mit diesem Konzept gute Erfahrungen gemacht.

Die Motive für das Ehrenamt sind ganz verschieden und die gewählten Tätigkeitsfelder sehr unterschiedlich. Freiwilliges Engagement im Bereich „Kirche und Religion“ steht nach den Bereichen „Sport“ und „Schule/Kindergarten“ immerhin an dritter Stelle. Allein in Diakonie und Caritas sind regelmäßig an die 900.000 Ehrenamtliche tätig. Das Engagement nehme im kirchlichen Bereich sogar noch zu, weiß Prof. Dr. Thomas Olk vom Bundessnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Zugleich herrscht vielerorts Unkenntnis darüber, an welcher Stelle Engagement gebraucht wird oder wer als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Die Caritas hat inzwischen deutschlandweit 40 Freiwilligenzentren eingerichtet, um die Kommunikationslücke zu schließen und das Zusammenfinden von beiden Gruppen zu erleichtern.

Empirische Daten zum freiwilligen Engagement in der evangelischen Kirche lieferte Prof. Dr. Heinrich Grosse vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD. Während ehrenamtliche Tätigkeiten im Durchschnitt aller Bereiche zu 55 Prozent von Männern ausgeübt werden, macht im Bereich von Kirche und Religion ihr Anteil nur 35 Prozent der Aktivitäten aus. Auch bei der Caritas dominieren die Frauen. Eine weitere Besonderheit: Tätigkeiten im kirchlich-religiösen Bereich werden stärker als in anderen Bereichen von über 65jährigen ausgeübt. Die Altersgruppe der 31-45jährigen ist unterrepräsentiert. Als wichtigste Motive für die protestantischen Freiwilligen nennt Heinrich Grosse „die Gesellschaft zumindest im Kleinen mitzugestalten“ und „mit anderen Menschen zusammenkommen“. Beeindruckend sei der Kompetenzgewinn durch das kirchliche Ehrenamt. Fast die Hälfte der Befragten habe in hohem Maße für sie wichtige Fähigkeiten gewonnen. Genau das bestätigte Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen in seinem Redebeitrag. Er habe in der kirchlichen Pfarr- und Jugendarbeit mehr für seine heutige Tätigkeit gelernt als im Studium. Waren es früher vor allem altruistische Motive oder die Suche nach Sinn und Anerkennung, so sind es heute die Lernpotentiale, die das Ehrenamt attraktiv machen. Junge Menschen arbeiten erstmals im Team, sie müssen präsentieren, organisieren Veranstaltungen und erwerben Gremien-Kompetenz.

Diskutiert wurde in Köln auch der Aspekt der Vernetzung. Wenn sich ehrenamtliche Initiativen vernetzen, kann das Ehrenamt in der Gesellschaft besonders wirksam sein. Denn Christen und Christinnen sind nicht automatisch starke gesellschaftliche Akteure. Sie sind erst dann stark, wenn sie untereinander kooperieren, ihre gemeinsamen Ziele entdecken und sich vernetzen. Dabei ist oft schon die innerkonfessionelle Vernetzung nicht ganz einfach. Kooperieren ehrenamtliche Initiativen verschiedener Träger miteinander, so kommt vielfach der Konkurrenzdenken ins Spiel. Doch das muss nicht so sein. Denn es gibt zahlreiche ökumenische Projekte, bei denen evangelische und katholische Christen und Christinnen Hand in Hand zusammenarbeiten. Konfessionelle Lehrunterschiede spielen dabei keine Rolle. Teilnehmer berichten: "Zusammenarbeit bedeutet gerade kein Mischmasch im Glauben, sie führt zu gemeinsamen Anpacken. Und das hilft allen".

Ökumenische Tagung zum ehrenamtlichen Engagement in Kirche und Gesellschaft