Publizist, Professor und Präsident - oder einfach "Papa Heuss"

Vor 125 Jahren wurde der erste Bundespräsident Theodor Heuss geboren

30. Januar 2009


Er war Publizist und Politiker, Professor und Pragmatiker, volksnah und staatsmännisch zugleich, ein Humanist aus liberalem Geist. Vor 125 Jahren, am 31. Januar 1884, wurde Theodor Heuss geboren, der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland.

Heuss (1884-1963) war ein Glücksfall für die noch junge Demokratie. Als Bundespräsident zwischen 1949 und 1959 diente er in der orientierungslosen Nachkriegszeit durch seine liberal-demokratische Haltung vielen Menschen als Vorbild. Für ihn waren "Demokratie und Freiheit nicht nur Worte, sondern lebensgestaltende Werte". Auch im Ausland warb er mit Erfolg für das aufstrebende Deutschland.

Geboren wurde Heuss am 31. Januar 1884 in Brackenheim bei Heilbronn. Als er 79 Jahre später, am 12. Dezember 1963 in Stuttgart starb, hatte er das wilhelminische Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Nazidiktatur und zwei Weltkriege sowie die Aufbauphase der Bundesrepublik miterlebt.

Zum 125. Geburtstag will der amtierende Bundespräsident Horst Köhler in Heuss' Geburtsort eine Bronzeskulptur enthüllen. Außerdem sind Empfängen, Kolloquien, Vorträge, Lesungen und Theateraufführungen geplant.

Heuss' Wurzeln liegen in seiner gutbürgerlichen Familie: "Der geistige und seelische Einfluss des Elternhauses ist für mich unendlich viel wichtiger gewesen als die Schule." Der Vater weckt sein politisches Interesse, die Mutter fördert die künstlerischen Neigungen. In München und Berlin studiert er unter anderem Nationalökonomie, Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte. Anschließend arbeitet er als Journalist in Heilbronn und Berlin, wo er dem national-liberal gesinnten "Naumann-Kreis" beitritt und seine politische Heimat findet.

Friedrich Naumann (1860-1919), nach dem die gleichnamige FDP-nahe Stiftung benannt worden ist, war ein evangelischer Pfarrer aus Sachsen. Der Theologe wollte die Lösung der sozialen Frage nicht allein kirchlicher Wohltätigkeit überlassen. Mit machtpolitischem Gespür ausgestattet trat er für eine Verbindung zwischen Liberalismus und Protestantismus zum Wohle der Nation ein. Diese Idee zog auch den jungen Heuss an.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wird für Heuss, der mittlerweile dem Reichstag angehört, die politische Arbeit schwieriger. Obwohl er sich im Vorfeld gegen das geplante Ermächtigungsgesetz ausspricht, stimmt er im März 1933 dem Gesetz zu, das den NS-Machthabern uneingeschränkte Vollmachten sichert.

Er habe sich der Fraktionsmehrheit gebeugt, verteidigt Heuss später seine Haltung. Und: "Ich wusste schon damals, dass ich dieses 'Ja' nie mehr aus meiner Lebensgeschichte auslöschen können würde." Bereits im Sommer 1933 wird Heuss selber Opfer des Ermächtigungsgesetzes. Er verliert sein Reichstagsmandat und erhält Schreibverbot.

Nach 1945 sehen die Alliierten in Heuss einen der wenigen Politiker, die unbelastet von der Nazi-Vergangenheit sind. Er erhält die Lizenz für die "Rhein-Neckar-Zeitung" und wird im September 1945 zum Kultusminister im damaligen Württemberg-Baden berufen. Parallel dazu übernimmt er eine Professur in Stuttgart und arbeitet am Aufbau der FDP mit, deren erster Vorsitzender er im Dezember 1948 wird.

Im Parlamentarischen Rat wirkt er an der Abfassung des Grundgesetzes mit. Hier lehnt er anfangs den Gottesbezug in der Präambel ab. Die ursprüngliche Formulierung "Im Vertrauen auf Gott" scheint ihm bedenklich, denn damit würde der "liebe Gott für all die Dummheiten, die hier gemacht werden", unmittelbar zur Verantwortung gezogen. Doch der Demokrat Heuss ebnet mit seinem Vorschlag "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen" den Weg zu einem Kompromiss, der das Grundgesetz einleitet.

Als nach der Bundestagswahl 1949 CDU und FDP die erste Regierung stellen, favorisiert der christdemokratische Kanzler Konrad Adenauer seinen Koalitionspartner Heuss für das Amt des Bundespräsidenten - gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Einigen CDU-Abgeordneten ist Heuss spätestens seit dem Präambel-Streit nicht kirchenfreundlich genug. Doch Adenauer setzt sich durch. Heuss' Frau sei fromm, kanzelte er seine Kritiker ab, "das genügt".

Heuss und seine Frau Elly Heuss-Knapp verhelfen dem Amt des Bundespräsidenten im In- und Ausland zu großem Ansehen. Beide begründen Traditionen, die bis heute fortwirken. Heuss-Knapp engagiert sich sozial und ruft 1950, zwei Jahre vor ihrem Tod, das Müttergenesungswerk ins Leben. Heuss selbst versteht sich als überparteilicher Bundespräsident, der der Macht des Wortes vertraut und so neues Vertrauen schafft - und der deshalb für viele Menschen im aufblühenden Wirtschaftswunderland einfach nur "Papa Heuss" war. (epd)