"Stimme der Kirche im Äther"

Seit 60 Jahren bietet der Evangelische Pressedienst Medieninformationen an

21. Januar 2009


Bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs suchte der Evangelische Pressedienst (epd), der bis 1941 in Berlin erschienen war, einen Neuanfang in Bethel bei Bielefeld. Auf dem Gelände der Von Bodelschwinghschen Anstalten, einer Einrichtung der Behindertenhilfe, fanden sich christliche Journalisten zusammen, die sich für den Rundfunk besonders interessierten. Der Missbrauch, den die Nazis mit dem Radio als Propagandainstrument getrieben hatten, sollte sich nicht wiederholen, so ihr Entschluss. Zudem sah man in Gestalt des Fernsehens ein neues Medium heraufziehen, das die christliche Familie verändern werde.

Ein Prozess, den man zwar nicht würde aufhalten können, so die Einsicht der epd-Redakteure um Focko Lüpsen und Heinz Schwitzke, den man aber doch im Sinne des Protestantismus gestalten wollte. Überhaupt sollte ein Dialog zwischen Kirche und den neu entstehendem Rundfunkanstalten - von Radio Bremen bis Radio München - in Gang gesetzt werden.

Dies waren die Gründerideen, die am Anfang von "epd/Kirche und Rundfunk" standen. Die sogenannte Fachkorrespondenz erschien erstmals am 21. Januar 1949. Die ersten Ausgaben fielen eher bescheiden aus: zwei Ausgaben von je 18 Seiten pro Monat, engzeilig geschrieben auf DIN-A4-Blättern, die anschließend hektographiert wurden. Heute erscheint "epd medien", wie der Fachdienst seit 1997 heißt, zweimal wöchentlich in einem Regelumfang von 28 Seiten. Die Jahrgänge umfassen inzwischen annähernd 3000 Seiten. Reichlich Informationen also für Verantwortliche in den Sendern und bei anderen Medien, für Medienpolitiker und Medienrechtler, die zu den bevorzugten Zielgruppen dieser Fachpublikation gehören.

In den früheren Jahren war "epd/Kirche und Rundfunk" ein betont christlicher Programmbeobachter, der sich vor allem der in Nachkriegsdeutschland entstehenden Radiosender annahm. Diskutiert wurde zum Beispiel die Frage "Was erwartet man von der Stimme der Kirche im Äther? . Die epd-Redakteure jener Zeit verstanden sich aber auch als Wächter, heute würde man moderner sagen: als Medienkritiker. Der damalige epd-Herausgeber Focko Lüpsen bilanzierte 1959 nach den ersten zehn Jahrgängen: "Der Dienst informierte die Öffentlichkeit, vor allem die Presse, über die Vorgänge und die sich abzeichnenden Entwicklungslinien, wandte sich aber gleichzeitig als Stimme dieser Öffentlichkeit an den Rundfunk selbst, anregend und fördernd auch dann, wenn Warnung und Kritik nötig wurden."

Anlass dafür gab es genug. So kommentierte "Kirche und Fernsehen" - eine Nebenausgabe, die vorübergehend ab 1955 erschien -, "dass es ein Unglück für unsere Familien war, als das Werbefernsehen begann und Vorstellungsbereiche ins Zimmer brachte, vor denen wir unsere Kinder lieber behütet hätten". In dieser Tradition war es nur konsequent, dass "epd medien" im Jahr 2005 den Schleichwerbeskandal bei der ARD-Serie "Marienhof" enthüllte.

Es war nicht das einzige Mal, dass epd die medienpolitische Debatte bestimmte. Im Jahr 1972 etwa schaltete sich "epd/Kirche und Rundfunk" in ein Filmvorhaben des ZDF ein. Der Sender wollte den aufsehenerregenden Soldatenmord im saarländischen Lebach aus dem Jahr 1969 verfilmen und dabei auch einen Mittäter, der sich nicht des Mordes schuldig gemacht hatte und deshalb kurz vor der Entlassung aus Gefängnishaft stand, beim Namen nennen. "Fernsehausbeutung des Elends der anderen" war ein Leitartikel überschrieben, in dem sich Friedrich Wilhelm Hymmen, der damalige verantwortliche Redakteur des Fachdienstes, für den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen und sein Recht auf Resozialisierung einsetzte - und der Programmfreiheit des Senders eine Absage erteilte. Der Streitfall beschäftigte auch das höchste deutsche Gericht. Das Bundesverfassungsgericht verbot dem ZDF am 5. Juni 1973, den Mann der Öffentlichkeit preiszugeben. In diesem Fall sei Resozialisierung das höhere Rechtsgut als Pressefreiheit. Daraufhin zog das ZDF den Film gleich ganz zurück, noch heute schmort er im Giftschrank der Fernsehgeschichte.

In den 60 Jahren seines Bestehens hat "epd/Kirche und Rundfunk" beziehungsweise "epd medien" viele verantwortliche Redakteure gehabt. Doch der 1995 verstorbene Friedrich Wilhelm Hymmen war der prägendste. Er gestaltete den Rundfunk-Fachdienst des epd 20 Jahre lang, von 1958 bis 1978.

In den 1960er Jahren rückte der dezidiert christliche Blick auf das Rundfunkprogramm in den Hintergrund und wurde von einer mehr säkularen, professionellen Branchenberichterstattung abgelöst. Die Bindung an die Werte des Protestantismus hat das nicht gemindert. Der Historiker Konrad Dussel hat jüngst die "Ernsthaftigkeit" gewürdigt, mit der epd-Redakteure seit 60 Jahren die Entwicklung der Medien begleiten. Auch noch nach Jahrzehnten, so Dussel, müsse dies als "vorbildlich" gelten. (epd)

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