"Hail to the Chief"

Pfälzer Emigrant gilt zu Unrecht als Komponist der amerikanischen Präsidentenhymne

16. Januar 2009


Ganz sicher bläst die "United States Marine Band" ihrem neuen obersten Chef am 20. Januar den Marsch. So sicher wie das Amen in der Kirche wird die Militärkapelle der US-Eliteeinheit den neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama bei seiner Amtseinführung am Dienstag um zwölf Uhr Ortszeit vor dem Washingtoner Capitol mit der Präsidentenhymne "Hail to the Chief" empfangen. Auch die amerikanische Nationalhymne "The Star-Spangled Banner" und andere Musikstücke werden bei der Zeremonie gespielt.

Seit 50 Jahren hält sich in der deutschen Medienlandschaft hartnäckig das Gerücht, der Pfälzer Wandermusikant Georg Drumm (1874-1959) aus Erdesbach bei Kusel sei Komponist des Zeremonienmarsches, der traditionell bei öffentlichen Auftritten des US-Präsidenten gespielt wird. Doch der Pfälzer Emigrant habe den Ehrengruß der als "President s Own" hoch dekorierten Marine-Band für den Oberbefehlshaber im Weißen Haus gar nicht komponiert, sagt Paul Engel. "Unser Schorsch hat den Marsch nicht geschrieben", stellt der pensionierte Lehrer und Musikkenner aus dem westpfälzischen Kusel klar.

"Das ist eine Verwechslung", betont Engel, der auch Initiator des Musikantenlandmuseums in Kusel ist, das sich der Geschichte der pfälzischen Wandermusiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts widmet. Vielmehr verfasste der Emigrant Drumm, der am New Yorker Broadway erfolgreich als Orchesterleiter, Arrangeur und Komponist arbeitete, im Jahr 1917 unter dem Eindruck des Eintritts der Amerikaner in den Ersten Weltkrieg den patriotischen Marsch "Hail, America".

Dieser werde nun seit einem halben Jahrhundert mit der Präsidentenhymne "Hail to the Chief" verwechselt, die auch stets während der Einführungszeremonie gespielt wird, sagt Engel. Das Werk wurde bereits 1812 vom englischen Komponisten James Sanderson geschrieben, der Text geht auf ein Theaterstück des englischen Schriftstellers Sir Walter Scott ("Ivanhoe") zurück.

Als einen netten pfälzischen Mythos, eine "urban legend", bezeichnet Nicole Fries, Sprecherin des US-amerikanischen Generalkonsulats in Frankfurt, die angebliche Urheberschaft Drumms. "Es gibt dafür absolut keine amerikanischen Quellen." Zahlreiche Dokumente in der Kongress-Bibliothek in Washington belegten die Herkunft von "Hail to the Chief".

Doch wie kam die schöne, wenn auch unzutreffende Emigranten-Legende in die Welt? Als Schuldigen hat Engel einen Reporter des früheren Südwestfunks (SWF) ausgemacht. Dieser habe 1957 bei einer USA-Reise den Emigranten Georg Drumm getroffen. Dessen guter Freund, der Leiter der Marine-Band, Major Albert F. Schoepper, habe dem Reporter erzählt, US-Präsident Dwight D. Eisenhower (1890-1969) habe beschlossen, "für alle Zukunft" den Marsch "Hail, America" als offiziellen Zeremonienmarsch zu spielen.

Eisenhower habe das Drummsche Stück im markigen 4/4-Takt besser gefallen als "Hail to the Chief". Es erklang bei seiner Amtseinführung 1953 und nach seiner Wiederwahl 1957. Alle folgenden US-Präsidenten gaben jedoch ihrer alten Hymne den Vorzug.

Der Rundfunkreporter meldete in die Heimat, das pfälzisch-amerikanische Werk sei nunmehr die Inaugurationshymne der US-Präsidenten. Andere Medien verbreiteten die Neuigkeit weiter - der Geist war aus der Flasche. Richtig ist hingegen, tröstet sich Engel, dass zumindest der Einführungsteil von "Hail, America" mit Fanfaren- und Hörnergeschmetter regelmäßig gespielt wird, wenn der US-Präsident und die First Lady hohe Staatsgäste empfangen.

Georg Drumm, seit 1911 amerikanischer Staatsbürger, lieferte mit seinem Marsch auch einen Integrationsnachweis: Den 1959 gestorbenen Pfälzer wurmte es, dass sich seine Orchestermusiker während des Krieges gegen Deutschland über seinen Akzent mokierten. "Mit 'Hail, America' hat Schorsch auf die patriotische Pauke gehauen", sagt Engel. (epd)