Kirche im Aufbruch – weltweit

Marketing, Mission und Mitgliederbindung – Herausforderungen sind weltweit ähnlich

01. November 2008


Nestor Friedrich ist Generalsekretär der „Igreja Evangélica de Confissao Luterana no Brasil“. „Unter Marketinggesichtspunkten ist dieser Name eine Katastrophe, das weiß ich wohl“, sagte der brasilianische Theologe. „Wir sprechen der Einfachheit halber meist einfach von uns als lutherische Kirche.“ Friedrich sollte nicht der einzige bleiben, der am zweiten Tag der EKD-Partnerkonferenz in Wennigsen bei Hannover auf Marketingstrategien zu sprechen kam. Bei der Tagung von hochrangigen Vertretern protestantischer Kirchen aus 18 Ländern in aller Welt wurde schnell deutlich: Nicht nur in den evangelischen Kirchen in Deutschland werden Reformprozesse entwickelt und vollzogen. Und die Sprache, die in Deutschland mitunter heftige Kritik auf sich zog, geht den ökumenischen Partnern ganz selbstverständlich über die Lippen. „Wir haben Verluste auf dem religiösen Markt“, formulierte der brasilianische Kirchenpräsident Walter Altmann über das Verhältnis der Konfessionen in seinem Land. Und als Arjan Plaisier erklären wollte, dass die Austrittszahlen aus seiner Kirche zurückgehen, sagte er mit einem Augenzwinkern: „Wir gewinnen stark bei der Minderung der Anzahl der Austritte.“

Es sei spannend zu sehen, wie ähnlich die Herausforderungen an die Kirchen in aller Welt seien, so EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte. Obwohl regionale oder nationale Entwicklungen in Details natürlich unterschiedlich verliefen, seien die größeren Zusammenhänge wie zurück gehende Mitgliederzahlen und Traditionsabbrüche oft sehr vergleichbar. Kirche Christi im Zeitalter der Globalisierung zu sein bedeute daher auch, dass man gut voneinander lernen und von den Erfahrungen anderer profitieren könne. Nicht nur einmal war in Wennigsen der Satz zu hören: „Das kennen wir bei uns auch. Wie geht ihr mit diesem Thema um?“

Interessiert hatten die Teilnehmer dem Vortrag von Thies Gundlach zugehört, der am ersten Nachmittag den Reformprozess in der EKD „Kirche im Aufbruch“ erläutert hatte. „Das war wirklich exzellent“, meinte der englische Bischof Nick Baines. Ihn, der bereits im Januar 2007 beim Zukunftskongress der EKD in Wittenberg dabei war, habe besonders interessiert zu hören, wie die dort getroffenen Richtungsentscheidungen nun konkret umgesetzt würden.

In Baines eigener Präsentation zu den Aufbrüchen in der Kirche von England kam ein Begriff vor, den alle Teilnehmenden als zentral erkannt zu haben scheinen: Mission. „Heute muss sich die Kirche in England in der lauten Kakophonie des Marktplatzes der Politik, der Wirtschaft und der Medien um Aufmerksamkeit bemühen“, so Baines. Im Jahr 2004 wurde in England unter dem Titel „Mission-shaped Church“ ein Bericht veröffentlicht, „der die Ausrichtung der Kirche in Bereichen wie Evangelisation, Mission, Gottesdienst, Liturgie von Grund auf geändert hat.“ Neue Gottesdienst- und Gemeindeformen seien daraufhin ebenso entwickelt worden wie ein neues Verständnis der Gemeindeleitung. Für Nick Baines ist das ein Thema der Ökumene: „Ökumenische Zusammenarbeit heißt jetzt, dass die Kirchen an bestimmten Orten zusammen arbeiten, um neue Gemeinden gründen zu können.“

Das Thema Mission hat auch für den Niederländer Arjan Plaisir einen hohen Stellenwert. „Es ist das Wesen der Kirche missionarisch zu sein“, so der Generalsekretär der Synode der Protestantse Kerk in Nederland. Aber bislang sei die Dringlichkeit für einen missionarischen Aufbruch noch nicht genügend klar erkannt. „Wir müssen alle Aktivitäten daraufhin überprüfen, wie sie der Mission dienen.“ Es gebe in den Niederlanden eine „Verlegenheitskultur“: Die Christen säkularisierten sich gleichsam selbst, weil es lange Zeit verpönt war, sich offen und fröhlich zu seinem christlichen Glauben zu bekennen. Zum Beispiel in der Jugendarbeit: „Wir haben zu lange ganz viele schöne Dinge gemacht, aber über das Evangelium geschwiegen.“

Walter Altmann bestätigt das für seine Kirche. Es habe einen Mentalitätswandel gegeben im Blick auf das Missionsverständnis. Während Umfragen vor einigen Jahren noch die Tendenz zeigten, dass die Gemeinden sich hauptsächlich den eigenen Mitglieder zuwandten, sehe man heute eine Öffnung nach außen. Im Jahr 2000 sei ein Strategieplan zum Thema Missionarisches Handeln entwickelt worden, der bis 2007 angesetzt war. Nestor Friedrich gibt ehrlich zu, dass an der einen oder anderen Stelle inzwischen auch eine Nachjustierung notwendig geworden sei. „Manches würde ich heute anders machen.“ Manche Zielvorstellung habe sich als unrealistisch erwiesen. Wichtig sei aber auch, wie die Ziele und Reforminhalte in die Gemeinden und an die Pfarrer vermittelt würden. Friedrich nennt das „die Pädagogik“. „Da sind wir heute besser geworden. Und heute kann man wirklich sagen: Das Feld ist bereitet.“

Es sei ein konstruktiver Austausch gewesen, so Martin Schindehüttes Bilanz der Tagung. Alle Teilnehmenden seien gut vorbereitet nach Wennigsen gekommen und so habe man gleich in fundierte Diskussionen einsteigen können. Am Reformationstag hat die EKD die neue Internetplattform „Kirche im Aufbruch“ gestartet, die es Gemeinden erleichtern soll, gute Ideen auszutauschen und voneinander zu lernen. „Hier in Wennigsen haben wir gesehen, dass wir auch von den Erfahrungen unserer Partner weltweit lernen können.“

Pressemitteilung "EKD diskutiert mit ökumenischen Gästen über Reformprozess"