Gedichtet – gepredigt – gelehrt

Klaus-Peter Hertzsch erhält die erste Luthermedaille

31. Oktober 2008


„Wie schön war es aus der Fern und Näh,
wie schön war die Stadt Ninive!
Sie hatte Mauern, stark und dick.
Die Wächter machten Blasmusik.
Ein Stadttor war aus blauen Ziegeln,
mit schwerer Tür und goldenen Riegeln,
davor zwei bärtige Soldaten
von einem Bein aufs andre traten.“

Mit diesen Worten beginnt Klaus-Peter Hertzsch die biblische Geschichte von dem Propheten Jona zu erzählen. Ende der 60er Jahre ist ein kleines Bändchen mit einigen erzählenden Gedichten unter dem Titel „So schön war es in Ninive“ in der DDR erschienen. Anfang der 80er Jahre dann auch im Westen: „Der ganze Fisch war voll Gesang“. Dieser andere Titel stammt auch aus der Jona-Geschichte:

Jona sollte nach Gottes Willen Prophet werden und der Stadt Ninive ihren Untergang vorher sagen. Ihm war der Auftrag zu groß und zu schwer, so wollte er übers Meer fliehen. Ein großer Sturm kam auf und die Besatzung des Schiffes, auf dem Jona war, hat schnell erkannt, dass die Bestrafung des Flüchtenden Ursache für das Unwetter war. Sie warfen Jona über Bord und ein Fisch verschluckte ihn:

„Er saugte den Propheten ein.
Der rutschte in den Bauch hinein.
Dort saß er, glitschig, aber froh:
denn naß war er ja sowieso.
Da hat er in des Bauches Nacht
ein schönes Lied sich ausgedacht.
Das sang er laut und sang er gern.
Er lobte damit Gott den Herrn.
Der Fischbauch war wie ein Gewölbe:
das Echo sang noch mal dasselbe.
Die Stimme schwang, das Echo klang,
der ganze Fisch war voll Gesang.

Wenig Phantasie brauchten die Hörer damals und heute, die starken und doch so einfachen Bilder des Jenaer Theologen Klaus-Peter Hertzsch sich vorzustellen. Die alte Geschichte von dem flüchtenden Propheten, der von Gott auf diese wundersame Weise zurückgeholt wurde und dann seinem Auftrag nachkam, wurde und wird neu lebendig.

Der Dichter dieser – und anderer – biblischer Gedichte bekommt am Reformationstag 2008 als erster die Martin-Luther-Medaille. Damit zeichnet der Rat der EKD Menschen für herausragendes kirchliches Engagement für den Protestantismus aus. Der 1930 geborene Thüringer Theologe habe mit seinen Predigten und Bibelarbeiten, seinen Vorträgen und Vorlesungen, seinen Balladen, Gedichten und Liedern und nicht zuletzt durch seine Person Christen in Ost und West die Schönheit, Wahrheit und Klarheit des Evangeliums erschlossen, heißt es zur Verleihung an Klaus-Peter Hertzsch.

Es waren allerdings nicht nur die Gedichte von damals, die Grund für die Auszeichnung des langjährigen Professors für praktische Theologie waren. Viele Christen kennen Klaus-Peter Hertzsch durch seine Predigten. Sie sind praktischer Ausdruck seiner Predigtlehre, die er an der Universität Jena Generationen von Theologen vermittelte. Zu der Verleihung der Martin-Luther-Medaille der EKD heißt es deshalb: „Klaus-Peter Hertzsch ist ein Mann des Wortes, des lebendigen und lebendig machenden Wortes Gottes. Er zählt zu den herausragenden und nachhaltig prägenden Vertretern protestantischer Predigt- und Verkündigungskultur unserer Zeit.“

Im Jahr des Mauerfalls 1989 ist er noch einmal aufgefallen: Zur Trauung seiner Patentochter schrieb er ein kleines Lied, sicher dass das nach dem festlichen Anlass auch wieder vergessen wird: „Vertraut den neuen Wegen“. Doch das Lied, das dem Brautpaar Mut machen sollte, für den neuen, gemeinsamen Weg, war auch ein Spiegel des damaligen Lebensgefühls. Er erzählt später, dass die drei Strophen zuerst hektographiert von Hand zu Hand weiter gereicht worden. In seinen biographischen Erinnerungen schreibt Klaus-Peter Hertzsch weiter, dass der Text damals auch die Gesangbuch-Kommission der EKD erreicht habe, die gerade letzte Hand an das fast schon druckfertige Evangelische Gesangbuch legte. Gleichsam nach Redaktionsschluss wurde „Vertraut den neuen Wegen“ noch aufgenommen.

Und die Jona-Geschichte geht bei Klaus-Peter Hertzsch zu Ende wie im biblischen Text. Gewarnt durch den Propheten änderten die Menschen in der schönen Stadt ihren Lebensstil:

Und morgens war die Lust dahin,
die schönen Kleider anzuziehn.
Sie zogen einfach Säcke über
und eine alte Schürze drüber.

Gott verschonte Ninive und Jona ärgert sich darüber. Da lässt Gott den Rizinusstrauch sterben, in dessen Schatten Jona auf den Untergang Ninives wartete. Darüber weinte Jona und ...:

Gott sprach zu ihm ein gutes Wort:
“Jetzt weinst du, weil dein Baum verdorrt,
den du nicht wachsen lassen kannst
und den du nicht mal selbst gepflanzt.
Da sollte ich nicht traurig werden,
wenn meine Kinder dort auf Erden
verderben und zugrunde gehen
weil sie mein Wort nicht gut verstehn?
Da sollte ich die Stadt nicht schonen,
in der so viele Menschen wohnen,
so viele Eltern, viele Kinder,
so viele arme, dumme Sünder,
so viele fröhliche Gesellen –
dazu die Tiere in den Ställen!
Vielleicht für dich zum guten Schluß
wächst bald ein neuer Rizinus.
Bestimmt, du wirst dich an dem neuen
genauso wie am alten freuen.
Dann denke: So in seiner Höh
freut sich der Herr an Ninive.“

Laudatio von Katrin Göring-Eckardt

EKD-Pressemitteilung