Monument für einen deutschen Nationalhelden

In Worms steht das weltgrößte Lutherdenkmal

29. Oktober 2008


Die feierliche Enthüllung seines Monuments im Sommer 1868 erlebte Ernst Rietschel nicht mehr. Der Dresdner Bildhauer war bereits mehrere Jahre zuvor gestorben. Den Künstlern, die das größte Lutherdenkmal der Welt in Worms vollendeten, kam es ganz recht, als eines Tages der Reformatoren-Kopf vom Modellentwurf abfiel und zerbrach. Der Zeitgeist verlangte ohnehin nach einem etwas anderen Luther, als Rietschel ihn entworfen hatte - nämlich nach dem eines deutsch-nationalen Volkshelden mit viel strengeren Gesichtszügen.

"In Worms wurde große Geschichte geschrieben", sagt Irene Spille von der städtischen Denkmalschutzbehörde. Auf der ganzen Welt hatte ein privater Verein ab Mitte des 19. Jahrhunderts Spenden gesammelt, um an Luthers mutigen Auftritt vor dem Wormser Reichstag 1521 zu erinnern. Selbst evangelische Gemeinden in Südamerika unterstützten das Vorhaben. Der mit Kirchenbann belegte Augustinermönch war viereinhalb Jahrhunderte zuvor zu Kaiser Karl V. nach Worms zitiert worden, um seine ketzerischen Ansichten zu widerrufen, was Luther damals trotzig verweigerte. Der Versuch, die Reformation im Keim zu ersticken, schlug fehl.

Wenige hundert Meter vom Schauplatz des historischen Geschehens entfernt erinnert heute die Skulpturengruppe an Luther, seine Zeitgenossen wie Philipp Melanchthon oder Philipp den Großmütigen und frühere Vordenker der Kirchenreform wie Jan Hus und Petrus Waldus. Umstritten war die burgartige Anlage, eine Anspielung an das Luther-Kirchenlied "Ein feste Burg ist unser Gott", bereits vor der Fertigstellung. "Die Leute haben gestritten und geschimpft: 'Das ist doch kein richtiges Denkmal, sondern eine Denkmallandschaft'", berichtet die Kunsthistorikerin Spille.

Jahrzehntelang setzten anschließend Umweltgifte und Taubendreck dem 3,50 Meter hohen Kirchenreformer zu. Im Herbst 2006 musste die Stadt das Denkmal schließlich für fast anderthalb Jahre einrüsten lassen. Restauratoren sollten Granitsockel und Metallfiguren reinigen. "Da haben wir gesehen, was mit dem Denkmal wirklich los ist", erinnert sich Karlheinz Mathieu, Leiter des zuständigen Hochbauamtes.

Mit "Zahnarztwerkzeug" wurde der bronzene Luther anschließend grundlegend restauriert und mit einer schützenden Wachsschicht überzogen. Durch ein aufwendiges Verfahren konnten die Denkmalsschützer zugleich die grünliche Patina-Schicht auf den Skulpturen erhalten.

Anders als den Dauerbesuch der Wormser Tauben hatten Luther und die Reformatoren den Zweiten Weltkrieg mit viel Glück unbeschadet überstanden. Die Nationalsozialisten hatten bewusst darauf verzichtet, das Denkmal abzubauen und an einen sicheren Ort zu bringen, weil sie die Bevölkerung nicht demoralisieren wollten. Während das Stadtzentrum weitgehend in Schutt und Asche versank, blieb das Reformationsmonument von den Bomben verschont.

In der Nachkriegszeit wurde Worms für mehrere Jahrzehnte zum zentralen Ort für Tagungen und Veranstaltungen zu Luther-Themen, weil die wichtigsten Lutherstädte allesamt in der DDR lagen. Diese Rolle hat die 50.000-Einwohnerstadt nach der Wende in Ostdeutschland wieder eingebüßt. Neben den Helden des Nibelungenlieds bleibt Luther eine der ganz großen Identifikationsfiguren für Worms. "Wenn Reisegruppen in die Stadt kommen, ist das Denkmal bis heute das Gruppenfoto-Motiv schlechthin", sagt Irene Spille.

Den Ruhm des weltgrößten Reformationsdenkmals macht dem Wormser Monument übrigens längst eine 100 Meter lange Skulpturenwand in Genf streitig, wo einst der Schweizer Reformator Johannes Calvin gewirkt hatte. Das größte Lutherdenkmal besitzt die Nibelungenstadt jedoch nach wie vor. (epd)

Beschreibung des Luther-Denkmals in Worms