Gottes bunte Stifte

Alles hat seine Zeit – auch der Herbst

24. Oktober 2008


In großen Lettern steht es deutlich über dem Fernsehprogramm für das letzte Wochenende im Oktober: „Ende der Sommerzeit – Uhren um eine Stunde zurückstellen“. Das gilt auch für die Gottesdienstzeiten am letzten Sonntag dieses Monats. Es soll ja schon vorgekommen sein, dass der Start eines solchen Gottesdienstes in den vergangenen Jahren an diesem Wochenende gefährdet war, weil einer der Mitwirkenden die alljährliche Warnung nicht gesehen oder zumindest an seinem Wecker nicht vollzogen hat. Mit diesem Wochenende findet damit auch die Quizfrage die Antwort, welcher Monat in Deutschland der längste ist. Nachtschwärmer finden in der Nacht zwischen Samstag und Sonntag eine Stunde länger Schlaf.

Die Botschaft, dass alle Uhren umgestellt werden müssen, ist ein untrügliches Zeichen für alle, die selten aus dem Fenster schauen oder zu Fuß unterwegs sind: Der Herbst ist gekommen: „Im Nebel ruhet noch die Welt, noch träumen Wald und Wiesen. Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, herbstkräftig die gedämpfte Welt im warmen Golde fließen“, so hat der württembergische Pfarrer Eduard Mörike gedichtet. Der weißgraue Schleier des Nebels gehört zum Herbst – genauso wie die kräftigen Farben der Blätter: Rot schimmert der Ahorn vor dem Fenster, gelblich braun die Blätter des Kastanienbaums an der Straße, gelb wogen die Felder, die kurz vor der Ernte stehen, und dunkel rotblau die Trauben, die demnächst gepflückt werden.

„Auch der Herbst hat seine schönen Tage“ lautet eine Redensart, die dem Ernten und Fallen der dritten Jahreszeit positives abgewinnen möchte und dies auf die späten Jahren menschlichen Lebens überträgt. Pessimisten mögen mutmaßen, dass nur wenige Tage schön sind, aber birgt nicht diese Jahreszeit eine besonders liebevolle Ironie: Noch einmal wird alles farbig und prächtig, bevor es im Spätherbst kahl erscheint und danach in die Winterstarre fällt. So kann jeder Herbsttag Freude machen: wenn die Kastanien fallen, die Spinnennetze am frühen morgen geheimnisvoll schimmern und die Obstbäume nach erntenden Händen rufen. Das erinnert dann auch an den alten Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Betriebsamkeit in den Gärten: mähen, schneiden, ernten. Alles herrichten für die kalten Monate und den Vorrat in den Keller bringen. Archaische Bilder in Zeiten, in denen Menschen im Supermarkt zu jeder Zeit Kartoffeln und Äpfel kaufen kann, die auch im Frühjahr und Sommer so aussehen als wäre eben Herbst und sie seien gestern geerntet worden. In den Herbst gehören sie wirklich: reif und erntefrisch. So fällt allen, denen in diesen Oktobertagen auffällt, dass nicht nur die Uhr umgestellt wird, die Weisheit des Predigers ein: „Ein jegliches hat seine Zeit... pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit.“