Start bedeutet Weitermachen

Jens Heller ist Pfarrer in den Vereinigten Arabischen Emiraten

13. Oktober 2008


„Mach weiter, Papa!“, ruft das kleine Mädchen in die Gebetsstille hinein. Ihr Papa ist Jens Heller – und der neue Pfarrer der Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wenige Minuten zuvor ist er im Gottesdienst in sein Amt eingeführt worden. Der Zwischenruf der jungen Tochter löst Lachen aller in der Gemeinde aus.  Doch nicht nur wegen dem kessen Zwischenruf: Die Stimmung in der versammelten Gemeinde, die sich freut, nun durch einen eigenen Pfarrer begleitet und betreut zu werden, st an diesem Abend gelassen und fröhlich.

Jens Heller ist nicht nur der neue, sondern auch der erste Pfarrer der im Januar offiziell gegründeten Gemeinde in den Emiraten. Vor rund sechs Wochen ist er mit seiner Frau und den drei Töchtern aus Hanau auf die Arabische Halbinsel übergesiedelt. Zunächst für drei Jahre soll er mithelfen, die noch kleine deutschsprachige Kerngemeinde zu festigen und auszubauen. Ein ehrgeiziges Ziel, beinhaltet dies neben der geistliche und organisatorischen Stärkung auch die wirtschaftliche Konsolidierung der Gemeinde. Und dies ist könnte sich auch in der „Boom Town“ Dubai als eine größere Herausforderung gestalten, als man auf den ersten Blick meinen könnte.

Rund zehntausend Deutsche leben schätzungsweise derzeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die meisten davon in Dubai. Fast alle verbleiben nur für relativ kurze Zeit im Land: von einigen Monaten bis zu wenigen Jahren. Damit besteht hier eine neue „Generation“ von Auslandsgemeinde: nicht Auswanderer und deren Nachkommen, die sich eine Verbindung zur alten Heimat bewahren, oder Deutsche, die aus familiären oder beruflichen Gründen sich für meist unbestimmte Zeit im Ausland aufhalten. Sondern eine Gemeinde mit hoher Fluktuation. Die meisten Deutschen wissen genau, für welch überschaubare Zeitdauer sie kommen, und dabei oft starke Verbindungen nach Deutschland beibehalten. In Dubai sind diese Deutschen beruflich stark beansprucht und leben in einem enormen Leistungsdruck. Dies alles in einem Umfeld, dass fremdartig und islamisch geprägt ist, oder das kunstvoll bis künstlich ist und dabei fasziniert und zugleich doch eine gewisse „Kälte“ zeigt.

Diesem Klientel in diesem Umfeld „Kirche“ ansprechend anzubieten, Menschen für Kirche zu gewinnen und zu einer Gemeinde zusammenzuführen, ist nicht allein, aber vornehmlich die Aufgabe eines Pfarrers. In Dubai und den anderen Emiraten – und künftig wohl auch in den anderen Staaten am Golf – ist es damit nun Aufgabe für Jens Heller. „Die Möglichkeiten sind vielfältig. Es bleibt genau zu prüfen, was umsetzbar ist – und wie dies sinnvoll geschehen kann.“, ist Heller bereits nach der kurzen Zeit, die er im Lande ist, deutlich geworden. Der Pfarrer blickt aus dem Fenster seiner im 34.Stock eines der vielen Wolkenkratzer liegenden Wohnung und benennt im übertragenden Sinn einige Perspektiven, die er bereits ausgemacht hat.

Dass in der schnelllebigen Leistungsgesellschaft der Emirate für viele ein Bedarf an einem sinnstiftenden Alternativangebot besteht, wird Jens Heller bei vielen Begegnungen deutlich. Aber auch die mitausgereisten Ehefrauen und die nicht wenigen Kinder bieten Anknüpfungspunkte, um Gemeindearbeit zu entwickeln und aufzubauen. Eine weitere Option ist die wachsende Zahl an Touristen, die die Golfstaaten für sich entdecken. Und auch für den christlich-islamischen Dialog könnten sich neue Perspektiven ergeben.

Eine andere Dimension kirchlichen Wirkens am Golf wird im Einführungsgottesdienst für Pfarrer Heller deutlich. Beim Einzug in die anglikanische Christ Church, in der die deutschsprachige evangelische Gemeinde regelmäßig zu Gast ist, sind der anglikanische Ortspfarrer und auch der römisch-katholische Amtsbruder anwesend. In ökumenischer Verbundenheit segnet Reverend Wright seinen deutschen Kollegen mit ein und wirkt auch bei der Abendmahlsfeier mit. Jens Heller und Steven Wright freuen sich auf die Zusammenarbeit im Geist der Ökumene und hoffen, mit Vertretern anderer Kirchen, die am Golf präsent sind, sich vernetzen zu können. Jens Heller ist bewusst, dass nur im konfessionsübergreifenden Zusammenwirken Kirche wirklich in den Emiraten Fuß fassen kann.

Vernetzung ist auch in anderer Hinsicht notwendig: Konzept der EKD ist es, dass der Pfarrer in Dubai künftig mit dem Pfarrer in Teheran kooperiert, um gemeinsam die gesamte Golfregion pastoral zu versorgen. Pfarrer Karl Jacobi, der in den vergangenen Jahren die Emirate mitbetreut hat, ist aus dem Iran herübergekommen und feiert den Einführungsgottesdienst mit. Und aus dem benachbarten Qatar sendet die dort ehrenamtlich tätige Pfarrerin Sabine Ohnemüller herzlich Grüße an die Gemeinde und deren neuen Pastor. Wie genau sie künftig die deutschsprachigen Protestanten in der Region betreuen werden, ist zwar noch nicht beschlossen. Einig sind sie sich aber darin, dass die Golfregion ein enormes und zukunftsträchtiges Potential für kirchliches Handeln bieten.

Das Engagement am Golf kann im hohen Maße und in vielerlei Hinsicht zukunftsträchtig sein: Das gezielte Aufsuchen von Menschen, das Bemühen um bewusste und profilierte Mitgliedschaft, regionales Agieren, ökumenische Kooperation, die Einbindung von Leistungsträgern, der Umgang mit Mobilität und Fluktuation – dies sind nur einige Aspekte, die durch die Arbeit in Dubai geschärft werden und möglicherweise dann nach Deutschland und die sich dort wandelnde kirchliche Landschaft zurückwirken.

Jens Heller ist dabei bewusst, dass mit seinem Dienstantritt zwar eine neue Phase der Arbeit am Golf beginnt, dass dies aber nicht einen völligen Neubeginn bedeutet. Die Aufforderung „Mach weiter, Papa!“ klingt in seinen Ohren tiefsinniger, als sie von seiner Tochter gemeint war. Jens Heller ist froh, an Erfahrungen aus seiner bisherigen Gemeindearbeit anknüpfen zu können. Zielgruppenorientierte Angebote sind ihm ebenso wenig fremd wie die Arbeit mit Kirchendistanzierten oder Fundraising.

Ebenso ist sich Heller aber auch bewusst, dass er in Dubai an die Arbeit anderer anknüpft und diese weiterführt. Viele Gemeindeglieder haben in den vergangenen Jahren sich tatkräftig für die Gemeinde eingesetzt. Und auch die bis zum Sommer ehrenamtlich in Dubai tätige Pastorin Heidi Wolfsgruber hat Grundlagen geschaffen, auf denen Jens Heller nun aufbauen kann. Dies sind Vorarbeiten, die dazu geführt haben, dass nun viele daran interessiert sind, dass ein deutscher evangelischer Pfarrer hauptamtlich in den Emiraten tätig ist.

Dies zeigt sich erneut, als Pfarrer Heller unterwegs zu einem Treffen im Generalkonsulat ist: Hellers Mobiltelefon klingelt und eine Deutsche erkundigt sich, ob und wie eine Taufe für ihr Kind in Dubai möglich ist. Nach dem Telefonat stellt Jens Heller glücklich fest: „Schon die zweite Taufanfrage in dieser Woche. In Abu Dhabi hat sich auch schon eine Gruppe Konfirmanden zusammengefunden. Und eine Trauung steht auch bereits an“.