"Gott hat manchmal einen Rüssel"

Wie Kinder auf der ganzen Welt sich Gott vorstellen

02. Oktober 2008


"Gott sieht manchmal aus wie ein Elefant", glaubt der neunjährige Mathurey aus Indien. Der Junge hat offenbar das Bild des hinduistischen Elefantengottes Ganesha in Kopf, wie die Buchautorin Gaby von Thun erläutert. Die Münchnerin kann von vielen fantasievollen Gottesbildern berichten. Denn hunderte Kinder malten und schrieben für sie auf, wie sie sich Gott vorstellen. Die Ergebnisse hat sie in dem Buch "Der liebe Gott sieht aus wie ein Elefant, oder?" präsentiert, das Anfang Oktober erscheint.

Bei der Recherche sei sie auf ein großes Interesse der Mädchen und Jungen an Spiritualität gestoßen, erzählt die Autorin: "Das hat mich wirklich überrascht." Die Besuche in deutschen Grundschulen und Kindergärten hätten ihr gezeigt, dass Kindern Glaube wichtig sei: "Vor allem bei den Jüngeren im Alter von sechs bis zehn Jahren habe ich das gespürt." Sie befragte auch Mädchen und Jungen in SOS-Kinderdörfern in Sri Lanka und Indien.

Die Reaktionen der Fünf- bis 16-jährigen seien sehr kreativ und angeregt gewesen, berichtet von Thun. "Der Moses ist durch das Meer gegangen. Wahrscheinlich war da gerade Ebbe", erklärt sich beispielsweise die siebenjährige Leona die biblische Geschichte vom Auszug aus Ägypten. Und der in Deutschland lebende siebenjährige Muslim Akim glaubt: "Mit dem Lift kommt man zu Gott."

Viele Kinder haben ihre Vorstellungen von Gott lieber aufgemalt als mit Worten beschrieben. Der bildreiche Band zeigt Zeichnungen von Gott als allsehendem Auge, von betenden Menschen und biblischen Szenen und immer wieder von Schutzengeln.

Dass Kinder ein großes Bedürfnis nach Religion haben, belegt auch eine Studie der Universität Oldenburg aus dem Jahr 2005. Die Religionswissenschaftlerin Ilse Flöter interviewte mehr als 100 Viertklässler. Sie sei von Begeisterung, mit der die Kinder sich zum Thema äußerten, ganz überrascht gewesen, berichtete die Wissenschaftlerin.

Die Zehnjährigen hatten Flöters Bericht zufolge den starken Wunsch, über ihre spirituellen Gedanken zu sprechen. Und das, obwohl die meisten Kinder von Haus aus nur gering religiös sozialisiert gewesen seien. Oft hätten sie zum ersten Mal in der Schule über Gott nachgedacht. Trotzdem zeigten die Aussagen der Kinder, dass Gott eine Rolle in ihrem Alltagsleben spiele.

Die Studie bestätigt der Forscherin zufolge eine These des Psychoanalytikers C.G. Jung (1875-1961), wonach der Glaube eine der ursprünglichsten Äußerungen der menschlichen Psyche sei. Dieses in der Psychologie festgestellte Bedürfnis nach Gott scheine eine der Konstanten zu sein, die sich nicht durch unterschiedliche Sozialisationsbedingungen veränderten, so der Analytiker.

Aus pädagogischer Sicht unterstreiche die Universitätsstudie die Bedeutung des schulischen Religionsunterricht, urteilt Flöter. Auch Gaby von Thun schreibt im Vorwort ihres Buches, Kinder hätten ein Recht auf spirituelle Begleitung: "Wenn jemand seinem Kind sagt, es gibt keinen Gott, nimmt er ihm die Hoffnung und das Vertrauen auf eine übergeordnete Macht."

Dieses Vertrauen sei aber wichtig für die "schwierige Arbeit der Lebensbewältigung", urteilt die Schriftstellerin. Kinder bräuchten Gott als Trost und letzte Sicherheit, damit sie selbstständig und selbstbewusst in die Welt hinausziehen können, glaubt auch der Pädagoge und Autor Jan-Uwe Rogge, der ein Nachwort für das Buch geschrieben hat.

Die frühere Modedesignerin Gaby von Thun sagt von sich selbst, dass Spiritualität wichtig für ihr Leben sei. Besonders beeindruckt habe sie bei ihren Recherchen der achtjährige Timon. Er sagte: "Manche sagen Allah, manche sagen Buddha, aber eigentlich meinen sie alle Gott." (epd)

Gaby von Thun: Der liebe Gott sieht aus wie ein Elefant, oder? Wunderlich. Hardcover, 144 S., 14,90 Euro

Ilse Flöter: "Gott in Kinderköpfen und Kinderherzen. Welche Rolle spielt Gott im Alltagsleben zehnjähriger KinderKindern am Anfang des 21. Jahrhunderts? Eine qualitativ-empirische Untersuchung" ist 2006 im Lit-Verlag Münster erschienen.