Kämpfer für Frieden und Wahrheit

Vor 50 Jahren ist Bischof George Bell gestorben

1. Oktober 2008


„Ihre Arbeit wird in der Geschichte der deutschen Kirche nie vergessen werden“, schrieb Dietrich Bonhoeffer seinem 23 Jahre älteren, väterlichen Freund im Jahr 1937 nach England. Adressat war der anglikanische Bischof von Chichester; George Bell. Das war nicht leicht dahingesagt; sondern diese Aussage hatte guten Grund: Kaum ein anderer Kirchenführer außerhalb Deutschlands hat die Geschicke der Kirchen und der Christen in Deutschland seit Beginn der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts so intensiv, freundschaftlich und zugleich kritisch begleitet wie George Bell. Er war ein Kämpfer für den Frieden und für die Wahrheit und hat sich nie gescheut, seine Überzeugungen mit der Autorität seines Amtes und seiner Person nachdrücklich zu vertreten, auch im politischen Raum. Am 3. Oktober vor 50 Jahren ist George K. A. Bell gestorben – Grund genug, sich an ihn zu erinnern.

George K. A. Bell wurde am 4. Februar 1883 als Pfarrerssohn geboren. Nach dem Theologiestudium arbeitete er drei Jahre lang als Sozialpfarrer in den Slums von Leeds. Es folgten einige Jahre als Studentenpfarrer und Tutor in Oxford bevor er 1914 Privatsekretär des Erzbischofs von Canterbury wurde und ein Sonderreferat für internationale und interkonfessionelle Beziehungen übernahm. Während des 1. Weltkriegs engagierte er sich für eine überkonfessionelle Aktion zur Rettung von Kriegswaisen und – zusammen mit dem schwedischen lutherischen Erzbischof Nathan Söderblom – für den Austausch von Kriegsgefangenen. Nach dem Krieg wurde Bell aus dieser Erfahrung einer Zusammenarbeit mit lutherischen Kirchen ein Förderer der jungen ökumenischen Bewegung und des internationalen theologischen Austauschs. Im Jahr 1929 wurde Bell Bischof von Chichester, von 1932 bis 1934 gleichzeitig Präsident von „Life and Work“, einem wichtigen Zweig der ökumenischen Bewegung.

Der Bischof von Chichester nahm von Anfang an regen Anteil am deutschen Kirchenkampf. Im April 1933 erklärte er öffentlich die Sorge der Ökumene über die beginnende Judenverfolgung in Deutschland und trug im September eine Resolution mit, die scharf gegen den Arierparagraphen und seine Übernahme durch Teile der Deutschen Evangelischen Kirche protestierte. Schon im Herbst 1931 hatte er Dietrich Bonhoeffer bei einer Tagung in Sofia kennengelernt. Als dieser im Herbst 1933 für zwei Jahre als Auslandspfarrer nach London ging, entwickelte sich zwischen beiden ein enges Vertrauensverhältnis und Bonhoeffer wurde für Bell zum wichtigsten Informanten über die Vorgänge in Deutschland; Bell seinerseits informierte die britische Öffentlichkeit darüber, unter anderem durch regelmäßige Leserbriefe an die Times. Von Anfang an stand Bell, anders als Teile der britischen Öffentlichkeit und auch der Church of England, als entschiedener Antifaschist im Kirchenkampf auf der Seite der Bekennenden Kirche in Deutschland.

Frühzeitig begann er, sich für Flüchtlinge aus Deutschland zu engagieren und gleich in seiner ersten Rede im House of Lords, dessen Mitglied er 1937 geworden war, forderte Bell die britische Regierung zu verstärkter Hilfe für jüdische Flüchtlinge aus Deutschland auf. Wahrscheinlich verhinderte er auch die Ermordung Martin Niemöllers, indem er dessen Inhaftierung in der britischen Öffentlichkeit bekanntmachte und anklagte.

Bells Engagement während des Krieges galt zunächst Flüchtlingen, die vom Kontinent nach England kamen, und anderen Notleidenden, aber auch internierten Deutschen und britischen Kriegsdienstverweigerern. Bell war kein Pazifist, aber er lehnte die Taktik der unterschiedslosen Flächenbombardierung deutscher Städte entschieden und öffentlich ab, unter anderem in leidenschaftlichen Reden im House of Lords, was ihn in direkten Gegensatz zur damaligen Regierungspolitik und zu großen Teilen der britischen Öffentlichkeit. Auch nach dem Krieg ist er immer wieder zwischen alle Stühle politischen Interesses geraten.

Zur Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg trug George Bell entscheidend bei, indem er den deutschen Kirchen den Weg zurück in die Ökumene ebnete. Bischof Bell war einer der ersten, die Deutschland wieder besuchten. In einem bewegenden Gottesdienst predigte in der stark zerstörten Marienkirche in Berlin und war tief bewegt von dem Elend der Flüchtlinge, die er z. B. auf den hoffnungslos überfüllten Bahnsteigen des Lehrter Bahnhofs in Berlin antraf. Schon wenige Monate nach Ende des Krieges, hielt er in der Holy Trinity Church in London einen Gedenkgottesdienst für Dietrich Bonhoeffer. Von dem berichtet wird, dass seine letzten Worte an den Freund in England gerichtet waren: „Sagen Sie ihm, dass dies für mich das Ende ist, aber auch der Anfang. Mit ihm glaube ich an unsere universale christliche Bruderschaft, die alle nationalen Interessen übersteigt.“

Grußwort des EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, zum 50. Todestag von Bischof George Bell

"George Bell: Ökumeniker - Brückenbauer - Versöhner" - Veranstaltung der Evangelischen Akademie zu Berlin