Abendmahl im Wüstensand

Rietberger Gemeinde und Bibeldorf schenken der neuen Gemeinde in Dubai Abendmahlsgerät

25. September 2008


 „Die Kirche muss sich nach dem Orient orientieren.“, stellt Dietrich Fricke voller Überzeugung fest: „Denn der christliche Glaube kommt aus dem Nahen Osten, dort haben wir Christen unsere Wurzeln – auch wir evangelischen Christen in Deutschland.“. Als Dietrich Fricke, der als evangelischer Pfarrer im westfälischen Rietberg tätig ist, Ende des vergangenen Jahres hörte, dass sich in Dubai eine neue evangelische Gemeinde deutscher Sprache bildet, war er sofort der Meinung, dies unterstützen zu müssen. Und nach Rücksprache mit der Ev. Kirche in Deutschland (EKD), die die Gemeinde in Dubai betreut, ließ er einen Abendmahlskelch und eine Patene anfertigen, die er nun im Kirchenamt in Hannover an den zuständigen Nahostreferenten Jens Nieper übergab, um sie an den Golf weiterzuleiten.

Diese Unterstützung geschieht nicht, weil Fricke und seine Gemeinde der Meinung wären, dass die Gemeindegründung in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Chance zur Mission unter den Muslimen birgt. Sondern weil aus Frickes Sicht – wie auch aus Sicht der EKD – diese neue Gemeinde die Gelegenheit darstellt, das gegenseitige Verständnis zwischen Abend- und Morgenland sowie Christen und Muslimen zu verbessern. Pfarrer Fricke ist dabei überzeugt, dass Menschen, die die nah- und mittelöstliche Kultur etwas genauer kennenlernen, auch die biblische Botschaft besser verstehen. Denn die Bibel stammt größtenteils aus diesem Kulturkreis. Dies entspricht Frickes Verständnis von Mission: Menschen in Deutschland den christlichen Glauben näher zu bringen, Christen im Glauben zu stärken und wachsen zu lassen: „Dazu müssen Menschen wissen, was sie glauben, und verstehen, was ihnen die Bibel sagt.“.

Dietrich Fricke ist dabei nicht blauäugig. Ihm ist bewusst, dass zwischen der biblischen Kultur und dem heutigen Orient eine Jahrtausende alte Geschichte liegt. Der umherziehende Abraham ist nicht einfach mit heutigen Beduinen identisch, ein Dorf in Syrien, Palästina oder den Golfstaaten entspricht nicht einer neutestamentlichen Kleinstadt, die von Jesus besucht wurde. Dietrich Fricke bemüht sich, Unterschiede bewusst wahrzunehmen, aber auch Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten zu entdecken: „Es ist ja nicht alles völlig anders.“.

„Und natürlich ist es erfreulich, daß einmal eine evangelische Kirchengemeinde gegründet wird, wenn man ansonsten vor allem von Gemeindefusionen hört und Einsparungen und Schließungen im kirchlichen Bereich erlebt.“, fügt Fricke an. Neben dem Interesse für den Nahen Osten und die Realienkunde gehört der Gemeindeaufbau zu den weiteren Schwerpunkten den engagierten Pfarrers. Ihm ist es gelungen, beide Akzente zusammenzuführen und so in ungewöhnlicher Weise fruchtbar werden zu lassen. Fricke gehört zu den Mitinitiatoren des Bibeldorfes in Rietberg.

In diesem Bibeldorf wird versucht, das Leben in biblischen Zeiten erlebbar zu machen. Auf einem ehemaligen Klärwerkgelände wurden nach biblischen Vorbild Werkstätten und ein Stadttor, Wohn- und Gemeinschaftshäuser errichtet. Originale Beduinenzelte und Mühlsteine wurden angeschafft. Und dies alles als Gemeindeprojekt: Gemeindeglieder beschafften Material und bauten. Und es sind Gemeindeglieder, Jugendliche wie Erwachsene, die durch das Gelände und die Gebäude führen und die biblische Welt für Besucher erfahrbar machen. Und die Besucher sammeln selbst Erfahrungen. Das Bibeldorf ist mehr als nur Anschauung: die Besucher helfen mit, die Zelte zu errichten, mahlen Mehl nach antiker Art, backen und kochen oder erlernen Handwerkstätigkeiten. Das Projekt ist inzwischen so erfolgreich, dass das Bibeldorf aus der Gemeinde rechtlich herausgelöst werden konnte und zu einer gemeindenahen GmbH umgewandelt wurde, die das Geld, dass seitens der Kirchengemeinde einst für das Projekt zur Verfügung gestellt wurde, wieder zurückzahlt und so den Gemeindehaushalt stützt.

Frickes Vorstellungen sind inzwischen in der Rietberger Gemeinde fest verwurzelt. Und so war es keine Frage für das Presbyterium und die Geschäftsführung des Bibeldorfes, dem Vorschlag des Pfarrers zu folgen und die „vasa sacra“ für Dubai zu spenden. Denn der im Januar gegründeten deutschsprachigen Auslandsgemeinde fehlt es noch an vielem. Sie ist zu Gast in der anglikanischen Kirche. In einem schlichten Nebenraum mit einem schmucklosen Tisch wird Gottesdienst gefeiert. So ist die noch kleine Gemeinde, die noch über kaum Finanzen verfügt, dankbar für jede Unterstützung. Über die großzügige Gabe und konkrete Hilfe der Glaubensgeschwister aus Rietberg freut man sich sehr. Freude, die in Dubai lebendig bleibt, und die auch von den Gemeindegliedern, die nach einiger Zeit wieder nach Deutschland zurückkehren oder in andere Weltregionen weiterziehen, zurück- und weitergetragen wird. Auch in dieser Hinsicht also eine Bereicherung der evangelischen Kirche in Deutschland.