Balsam für verletzte Seelen

Schwerter zu Pflugscharen

22. September 2008


Es klingt paradox. Und dennoch kann kein Zweifel bestehen, dass die DDR an der Friedfertigkeit ihrer Bevölkerung zugrunde gegangen ist. Der Ruf "Keine Gewalt", mit dem sich die Leipziger Demonstranten im Herbst 1989 nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche zum Altstadtring aufmachten, zieht sich wie ein roter Faden durch weite Teile der DDR-Geschichte.

Ein fast vergessenes Datum auf diesem Weg ist zweifellos der 24. September 1983. Damals hatte der Wittenberger Friedenskreis im Rahmen des in der Lutherstadt stattfindenden Kirchentages zu einem Abend der Begegnung eingeladen. Rund 2.000 vorwiegend junge Leute fanden sich schon Stunden vorher auf dem ehemaligen Klostergelände des Lutherhofes ein, um nach Einbruch der Dunkelheit dicht gedrängt zu verfolgen, wie ein Schmied von der PGH Stahlbau (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) ein Schwert zu einer Pflugschar verwandelte.

Wie ein Lauffeuer habe sich unter den Kirchentagsbesuchern, zu denen auch der spätere Bundespräsident und damalige Regierende Bürgermeister Berlins, Richard von Weizsäcker (CDU), gehörte, die Nachricht von der geplanten Aktion verbreitet, erinnert sich Friedrich Schorlemmer. Mit seinem Friedenskreis hatte er fast unbeobachtet von der Stasi für die nötigen Vorbereitungen gesorgt.

Zur Forderung nach Abrüstung, wie sie beispielsweise die jährlichen Friedensdekaden mit dem Motto "Frieden schaffen ohne Waffen" erhoben, habe schon damals für ihn die Notwendigkeit von Konversion, also das Umwandeln der Waffen für eine zivile Nutzung gehört, betont der evangelische Theologe.

Hinzu kam seit Anfang der 80er Jahre die Auseinandersetzung um den Aufnäher "Schwerter zu Pflugscharen". Er war im Zuge der jährlichen Friedensdekaden entstanden, zu denen die evangelischen Landesjugendpfarrer in der DDR erstmals 1980 aufgerufen hatten. Als Vorlage für die biblische Vision von einer Welt ohne Waffen hatten sie damals sehr bewusst ein Mahnmal genommen, das seit den 50er Jahren vor dem Sitz der Vereinten Nationen in New York steht - als Geschenk der Sowjetunion an die Weltgemeinschaft.

Doch was dem "großen Bruder" recht war, musste der DDR-Führung noch lange nicht billig sein. Als sich im Herbst 1981 immer mehr junge Leute das Symbol der Friedfertigkeit auf ihre Kleidung nähten, erklärte die SED dem Zeichen geradezu den Krieg. Manchen Jugendlichen wurde es von der Jacke gerissen oder von der Schultasche entfernt. Damit verbunden waren Schulverweise oder der Verlust der Lehrstelle, von den seelischen Verletzungen ganz zu schweigen.

Davon waren auch viele der jungen Leute betroffen, die vor 25 Jahren mit Gesang und rhythmischem Klatschen die Hammerschläge begleiteten, unter denen sich auf dem Lutherhof das Schwert in eine Pflugschar verwandelte. "Die Arbeit am Frieden ist schwer. Aber Ihr seht, es geht!", rief ihnen Schorlemmer zu. "Handelt, dass das möglich wird."

Angesichts der Rüstungsanstrengungen der USA, die heute "so hoch wie nie zuvor" seien, ist der Ruf von "Schwerter zu Pflugscharen" für ihn mindestens so aktuell wie damals. Dennoch ist sein Blick zurück nicht ungetrübt. Die Friedensbewegung in der DDR sei auch ausgenutzt worden, sagt der 64-Jährige. Viele hätten mit ihrem Engagement ihre Ausreise befördern wollen, in dem sie sich dem Regime als Störenfriede präsentierten. "Der Frieden war für manche nur ein Hebel, den Staat zu ärgern." Nach gelungener Ausreise hätten sie sich in Westdeutschland nicht mehr an Friedensaktionen beteiligt.

"Die Geschichte muss erst noch geschrieben werden, wie der Staat einerseits Friedensinitiativen kriminalisiert hat, aber andererseits Menschen die Gruppen benutzt haben, um auf diese Weise früher oder besser aus dem Land herauszukommen." Auch der Schmied von damals, Stefan Nau, durfte die DDR Anfang 1984 nach Repressalien aufgrund eines Ausreiseantrages verlassen. Seine aus einem Schwert geschmiedete Pflugschar befindet sich heute im Leipziger Zeitgeschichtlichen Forum. "Für die ist das eine Reliquie", sagt Schorlemmer. (epd)

Prophet Micha (Mi 4,1-4):

In den letzten Tagen aber wird der Berg, auf dem Gottes Haus steht, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben.

Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des Herrn gehen und zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln!

Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Ländern. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen.

Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken.

Denn der Mund des Herrn Zebaot hat es geredet.