Mit Bibel und Stethoskop

Berufsfindungsjahr in der Stiftung Stralsunder Schwesternheimathaus

01. September 2008


Die fünf jungen Mädchen freuen sich sichtlich. Jedes von ihnen bekommt während des Gottesdienstes ein besonderes Geschenk umgehängt: ein Stethoskop. „Das wird Ihnen eine hilfreiche Begleitung sein“, sagt die Oberin und ermahnt die Beschenkten, das Gerät taktvoll und behutsam einzusetzen. „Taktgefühl und Behutsamkeit“, fügt sie hinzu, „wünschen wir Ihnen überhaupt im Umgang mit Menschen – aber auch im Umgang mit sich selbst.“

Der außergewöhnliche Gottesdienst, in dem medizinisches Gerät und Zukunftswünsche vergeben werden, findet im Evangelischen Altenzentrum Stralsund statt. Er markiert ein Ende und einen Anfang: Ein Jahr lang haben die fünf Mädchen dort ein Berufsfindungsjahr absolviert. Sie haben Grundkenntnisse in der Krankenpflege und der Gerontologie erhalten, auch Bibelkunde und Singen standen auf ihrem Stundenplan. Nun verlassen sie das Schwesternheimathaus; fast alle mit der Aussicht auf einen Ausbildungsplatz. Am 1. September ziehen dann ihre Nachfolgerinnen in das stiftungseigene Internat ein.

Das Berufsfindungsjahr der Stiftung Stralsunder Schwesternheimathaus und der Schwesternschaft der Evangelischen Frauenhilfe Potsdam-Stralsund richtet sich an Jugendliche, die herausfinden möchten, ob sie langfristig in der Kranken- oder Altenpflege arbeiten wollen. In dem zur Stiftung gehörenden Altenzentrum können sie erste praktische Erfahrungen sammeln. Die meisten Schülerinnen haben zu Beginn dieser Vor-Ausbildung keinen religiösen Hintergrund. Der biblische und diakonische Unterricht, regelmäßige Morgenandachten und Gottesdienste am Wochenende bringen ihnen dann den christlichen Glauben nah. „So leistet die Schwesternschaft ihren Beitrag zum missionarischen Auftrag der Evangelischen Kirche“, sagt Oberin Petra Zulauf. Finanziell getragen wird das Berufsfindungsjahr von der Stiftung, der Schwesternschaft und durch jährliche Zuschüsse der UEK.

Stolze 75 Jahre gibt es die „Schwesternvorschule“ in Stralsund nun schon. 1933 erhielt die Schwesternschaft ihr Heimathaus und nutzte es unter anderem zum Anlernen von Nachwuchskräften im pflegerischen Bereich. Schon damals wurden die Absolventinnen nach Ablauf eines Jahres zur weiteren Ausbildung an Kliniken und Krankenhäuser vermittelt. Nach einer zeitweiligen militärischen Beschlagnahmung des Hauses im Zweiten Weltkrieg gelang es im Herbst 1945, die Arbeit im Schwesternheimathaus wieder aufzunehmen. Auch in der DDR konnte die einjährige Schwesternvorschule weitergeführt werden. Mit der Wiedervereinigung schließlich entstand die Konzeption für das Berufsfindungsjahr in seiner heutigen Form. Dass diese Form ankommt, zeigen nicht nur die konstanten Schülerinnen-Zahlen. Die fünf diesjährigen Absolventinnen verabschiedeten sich sichtlich gerührt, und fassten ihren Dank an die Mitarbeiter und Bewohner des Schwesterheimathauses sogar in Verse:

„An das Jahr werden wir oft denken,
und so manches Mal ein Lächeln verschenken.
Wir sagen jetzt auf Wiedersehen,
und wissen schon jetzt, Sie werden uns sehr fehlen!“