Regen und Sonnenschein – nicht nur beim Wetter

Neue Interviews mit dem Olympiapfarrer

19. August 2008


Bis zur Erschöpfung kämpfen die Sportlerinnen und Sportler bei den olympischen Spielen: im tiefen Sand des Beachvolleyballturniers, an den Geräten beim Turnen oder auch auf dem Wasser im Kanu- und Ruder-Zentrum. Bei manchen Sportlern ist diese Erschöpfung auf den ersten Blick zu erkennen – so bei Jan Frodeno nach 1 Stunde und 48 Minuten, oder anders ausgedrückt: nach anderthalb geschwommenen, 40 geradelten und zehn gelaufenen Kilometern im Triathlon. Andere Sportler müssen auch nach dem sportlichen Wettkampf noch strahlen und sich lächelnd den Schiedsrichtern zeigen, so etwa Oksana Chusovitina nach ihrem Silbersprung über das Pferd. Und für manche Sportlerinnen und Sportler bleibt es bei regnerischen Stimmung – so wie über der Regattastrecke des Ruderns. Da war nicht nur das Wetter an manchen Tagen der olympischen Regatta verregnet, sondern auch die Medaillenhoffnungen der deutschen Ruderinnen und Ruderer.

Enttäuschung macht sich breit, wenn Hoffnungen sich nicht erfüllen lassen. In den Stunden nach solchen Entscheidungen braucht es Gesprächspartner – nicht nur für die Athletinnen und Athleten, sondern auch für die Trainerinnen und Trainer und – so sie auch nach Peking gereist sind – für Verwandte und Eltern. Für diese Gespräche stehen auch die beiden Seelsorger aus Deutschland bereit. Thomas Weber, der evangelische Olympiapfarrer, trifft an der Regattastrecke Eltern, die für ihren Sohn auf Edelmetall gehofft haben – kein Trainingsrückstand, keine Fehlbesetzung im Boot, sondern ein Virus hat der Hoffnung eine Grenze gesetzt. Anders die Situation bei den Schwimmerinnen und Schwimmern: Auch wenn dort individuelle Medaillenerwartungen im „Wasserwürfel“ auf der Strecke geblieben sind, hat Britta Steffen mit zwei Medaillen gegen Ende der Schwimmwettkämpfe die Stimmung noch einmal herum gerissen – auch bei der Feier dieses Mannschaftsteiles gibt es viel Anlass für Gespräche.

Als Seelsorger braucht man kein Training wie die Sportler, aber es braucht genauso wie bei den Athleten Orte und Zeiten, in denen Pfarrerinnen und Pfarrer sich Kraft für die Gespräche holen. Eine Möglichkeit, neu Kraft zu schöpfen, sind die Gottesdienste, die der Pfarrer nicht selbst gestalten, sondern einfach mitfeiern darf. Auch in China, wo vor wenigen Jahren Religion noch keine Rolle gespielt hat. Ein Gottesdienst in einer der staatlich anerkannten, protestantischen Kirche war so eine positive Erfahrung, beschreibt Thomas Weber in „Olympia süß-sauer“. Es mag banal klingen: Aber so ist die Arbeit eines Olympiaseelsorgers wie das Wetter in Peking: Regentage und Sonnenschein – oder auch wie das nationale Erleben der Sommerspiele: Medaillen, mit denen keiner gerechnet hat, und verpasste Chancen, auf die alle gehofft haben.