Countdown für die Olympischen Sommerspiele 2008

Olympiapfarrer „mitten drin“

04. August 2008


 „Schneller- höher – weiter“ klingt das Motto der olympischen Spiele. Ein wenig weiter weg sind für Mitteleuropäer die diesjährigen Spiele. Seit Baron Pierre de Coubertin die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 ins Leben rief, hat sich im Sport viel geändert. Die zunehmende Kommerzialisierung des Sports und die umfangreicher werdende Sportberichterstattung in den Medien haben zu zahlreichen Neuerungen geführt. Die durch eine Null-Toleranz-Politik nicht zu kontrollierende Doping-Problematik fordert ebenso heraus wie eine Fixierung der Berichterstattung auf Weltrekorde und Sieger. Medien sehen oft nur noch die mit Medaillen ausgezeichneten Sportlerinnen und Sportler, weniger aber diejenigen, die auf Plätzen weiter hinten gelandet sind, trotzdem aber an ihre Grenzen oder auch darüber hinaus gegangen sind.

„One world – one dream“ heißt das Motto der Spiele, die vom 8. bis 25. August stattfinden. Es ist gute Tradition, dass Pfarrer der evangelischen und katholischen Kirche die deutschen Teams zu den Olympischen Spielen begleiten. Sportlerinnen und Sportler – unabhängig von ihrer Platzierung nach dem Finale – finden in dem evangelischen Pfarrer Thomas Weber einen kompetenten und aufmerksamen Gesprächspartner. Wer sich in höchster Anspannung und Konzentration auf diesen besonderen Höhepunkt eines Sportlerlebens vorbereitet, braucht auch Augenblicke der Ruhe, um neue Kraft zu tanken. Dazu soll auch die ökumenisch vorbereitete Broschüre „Mittendrin“ beitragen, die der Olympiapfarrer für die Athleten und Athletinnen im Gepäck hat. In ihr finden sich biblische Geschichten, Gebete und Meditationen.

Thomas Weber wird die Tage in Peking aus eigener Sicht wahrnehmen – eine andere Sicht als die der Sportler, der Journalisten, der Sportfunktionäre. Ab und zu wird er über www.ekd.de in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen (ekn) über seine Sicht Einblick geben: „Olympia süß-sauer“ sind seine Handyberichte überschrieben, die als Podcast im Internet bereitgestellt werden.

Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, hat im Geleitwort der Broschüre „mittendrin“ zusammen dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern in den verschiedenen Sportarten gute Wünsche mit auf den Weg gegeben. Hoffnung bleibt, dass faire sportliche Kämpfe und Wettbewerbe im Mittelpunkt dieser Spiele stehen. Die beiden Vorsitzenden haben Ihnen nicht nur sportliche Erfolge gewünscht, sondern auch, dass sie den olympischen Geist spüren, der trotz aller Veränderungen im Sport die olympischen Spiele beflügelt.

Schon im Vorfeld der Olympischen Spiele ist die Frage der Menschenrechte im Gastgeberland stärker als bei den Veranstaltungsorten vergangener Olympiaden thematisiert worden. So hat Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, das Verhältnis Chinas zu den Menschenrechten als eines der „Kernprobleme“ bezeichnet. Pressefreiheit, Religionsfreiheit, der Umgang mit der Todesstrafe sind nur einige Stichworte, die gerade auch die christlichen Kirchen zu kritischen Anmerkungen herausfordern. Margot Käßmann, Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers, die auch Mitglied des Rates der EKD ist, hat darauf reagiert: Sie verschenkt schwarze Silikon-Armbändchen mit einem Zitat aus dem 85. Psalm: ‚...dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen - Olympia 2008’ und schreibt dazu jedem Beschenkten: „Das Armband soll eine Geste der Solidarität mit den unterdrückten Menschen in Tibet und in China sein.“ Inzwischen sind über 210.000 Armbänder angefordert worden, ein Zeichen für die unerwartet große Resonanz dieser Aktion – viele Menschen spüren, dass es um mehr als Sport geht.

Sport ist keine politikfreie Zone und dennoch darf die Politik nicht im Mittelpunkt des Sportes stehen. Der Sportwissenschaftler Stefan Chatrath macht darauf aufmerksam, dass es dem Sport schadet, wenn er nicht einfach nur „um seiner selbst willen“ anerkannt wird, sondern man von ihm erwartet, dass er einen ‚sozialen’ Zusatznutzen stiftet: „Der eigenständige Wert des Sports als gesellschaftlich-kulturelle Errungenschaft geht so verloren. Der Sport soll ‚mehr’ als einfach nur Sport sein und verliert genau dadurch seine ihm eigene Qualität, wird letztlich ‚weniger’, weil weniger wichtig.“ Auf der anderen Seite sollte auch denen widersprochen werden, die den Sport nur „um seiner selbst willen“ schätzen und damit indirekt dazu freigeben, Verletzungen der Menschenrechte zu sanktionieren.

Aus theologischer Sicht hat der Sport eine besondere Stellung. Im Sport erlebt der Mensch in besonderer Weise die Einheit von Körper, Seele und Geist. Menschen erfahren, dass sie aufeinander angewiesen sind, miteinander wetteifern und sich wechselseitig stärken können. Die Kirchen und der Sport teilen eine Wertebasis: Die Anerkennung der menschlichen Würde in der Person des andern ist ein grundlegender christlicher Gedanke; das Fairnessprinzip beschreibt konkrete Folgerungen aus diesem Gedanken. Aber: Sport ist nicht Religion, aber Sport und Religion, ja mehr noch Sport und christlicher Glaube stehen miteinander in einem besonderen Verhältnis. Beide, christlicher Glaube und Sport teilen die Bejahung des menschlichen Daseins, den Dank für die Möglichkeiten menschlichen Lebens, die Freude am eigenen Körper. Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Dr. Wolfgang Huber, hat es prägnant so formuliert: „Sport ist ein starkes Stück Leben.“ Aus dieser Motivation heraus gilt es dann auch gegen Deformationen des Sports, in denen aus Leistung Körperkult, aus Erfolg Siegeskult und aus Kooperation ein Kult chauvinistischer Gewalt wird, Einspruch zu erheben. Gerade der Sport führt vor Augen, welche Leistungskraft dem Menschen anvertraut ist. Aber auch, wo Grenzen menschlicher Kraft liegen – in der Belastung des menschlichen Körpers wie in der Wahl der Mittel, um Ziele zu erreichen. Sport setzt Respekt vor sich selbst und dem sportlichen Gegner voraus, ohne den es keine Olympischen Spiele gäbe.