Wegmarke am Rand der Autobahn

Autobahnkapelle bei Adelsried ist 50 Jahre alt

01. August 2008


Frühe Kindheitserinnerungen an Urlaubsfahrten: Schon Tage vor dem Start standen in der Wohnung halb gepackte Koffer. Am Vorabend der Abfahrt wurden diese abschließend gefüllt und geschlossen, das Gepäck in den Kofferraum verfrachtet, der Dachgepäckträger gefüllt und dort alles festgezurrt. Am nächsten Morgen wurden die drei Kinder zusammen mit übrig gebliebenen Kleinteilen und einer Tasche voll geschmierter Brote auf den Rücksitz des VW gepfercht – und es ging los auf die Autobahn Richtung Süden.

Aufgebrochen im Mittleren Neckarraum waren nach etwa einer Stunde Fahrt zwei Dinge sicher: Auf der Rückbank des Autos mit dem schicken Fließheck wurde es langsam so unbequem, dass die Vorfreude auf den Urlaub dem aktuellen Quengeln über die lange Fahrt wich und am rechten Straßenrand der A 8 tauchte das Schild „Autobahnkapelle Adelsried“ auf. Da bleibt doch die spannende Frage, was eine Autobahnkapelle ist?

Die in der damaligen Zeit erscheinenden Bücher mit Bildern, wie die Welt wohl nach der Jahrtausendwende aussehen werde, regten die Phantasie an: Da wurden Kirchen nur aus Glas vorgestellt, in die man mit dem Auto wie in ein Autokino hineinfahren kann. Allerdings hatte der etwa 12-jährige auch ein solches Kino noch nie gesehen. Aber in der Phantasie war alles klar: So ein Glaspalast muss mit Autobahnkapelle gemeint sein – und „wir“ haben das, was in den Büchern als Zukunft bezeichnet wird, schon irgendwo in der Nähe von Augsburg.

Einer Überprüfung hätte diese jugendliche Zukunftsvision nicht standgehalten, aber das mit einem blauen Wegweiser angezeigte Gebäude konnte auch nicht in Augenschein genommen werden: Nach einer Stunde Fahrt war der Vater grundsätzlich gegen eine Pause: „Gehalten wird, wenn wir durch München durch sind.“ Kirchen, das zeigte die Erfahrung vergangener Urlaube, würden in den kommenden drei Wochen eh ausreichend besichtigt.

Diese Erinnerung liegt Jahrzehnte zurück – und so überrascht es nicht, dass die älteste aller Autobahnkapellen, eben jene bei Adelsried, in diesem Jahr ihren 50. Jahrestag erleben kann. Sie hat manche weitere Kapelle an ihre Seite bekommen: 32 sind es in der Zwischenzeit über das gesamte Autobahnnetz verteilt, elf von ihnen wurden erst in den letzten zehn Jahren gebaut. Erfüllung eines echten Bedürfnisses der Reisenden?

Der katholische Dominikanerpater Wolfram Hoyer arbeitet als Seelsorger an der Kapelle „Maria Schutz der Reisenden“. Das Bedürfnis nach Stille und Rast hat an der Ausfahrt Adelsried aus einer Wegkapelle eine Autobahnkirche gemacht. "Ein kluges Konzept gab es damals nicht", erzählt der Dominikanerpater dem epd. Vielmehr habe die große Zahl der Reisenden, die von der Autobahn zu der Kapelle abfuhren, eine Situation geschaffen, auf die die Kirche reagiert habe. Gebaut wurde die Kapelle 1958 in der Tradition der Wegkapellen, die es zu allen Zeiten an stark bereisten Strecken gab, auf Veranlassung eines Augsburger Unternehmers, der Grundstück und Rohbau gestiftet hat.

"Autobahnkirchen sind keine Attraktionen, sondern wir sind nett, klein und stillen ein lebendiges Bedürfnis", formuliert Hoyer. Eine besondere Attraktivität sei die Anonymität in diesen Kapellen. Alle, die kurz Halt machen, suchen Ruhe – und die Kapelle ist 365 Tage im Jahr geöffnet.

Am Sonntag, 3. August, dem Tag der Autobahnkirchen, wird in der Kapelle bei Adelsried ein Festgottesdienst gefeiert, auch wenn das eigentliche Jubiläum der Eröffnung erst im Oktober ist – der Festgottesdienst wird ab 9.30 Uhr im ZDF übertragen. Gottesdienst findet allerdings nicht nur zum Jubiläum am Tag der Autobahnkirchen mitten in der Urlaubszeit statt, sondern jeden Sonntag dreimal – mit A-Capella-Gesang und bis zu 1.000 Menschen, die mit feiern.