Drogentote

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

25. Juli 2008


Heute stirbt in Berlin einer an Drogen, übermorgen wird es wieder einer sein. So wird es das ganze Jahr weiter gehen. An jedem zweiten Tag hat Berlin einen Drogentoten zu beklagen.

Wer durch den Weinbergspark in Mitte oder durch die Hasenheide in Kreuzberg läuft, kann den Drogenhändlern zuschauen. Sie stehen zwischen den Büschen. Weiße Päckchen gehen von Hand zu Hand. Natürlich ist das nicht nur in Berlin so. Vor einigen Tagen hörte ich in einer westdeutschen Stadt ein Straßenbahngespräch. Am hellen Tag ging es darum, wo der nächste Stoff zu besorgen sei.

Verharmlosen hilft nicht! Aus dem ersten Rausch wird eine lebensgefährliche Sucht. Manchmal sehe ich auf der Straße einen jungen Mann mit strähnigem, ungewaschenem Haar. Die Hose zerrissen. Er wirkt abwesend, sein Kinn zittert.

Angeblich beginnt das „harmlos“. In manchen Discos gehören Partydrogen zum guten Ton. Jugendliche in teuren Hemden und Jeans schlucken kleine Pillen. Sie fühlen sich guter Stimmung und können durchfeiern bis zum Morgen. Vielleicht hat der junge Mann von der Straße auch einmal so angefangen. 

Am Anfang steht die Sehnsucht, vom Alltag Abstand zu gewinnen.  Die Probleme scheinen kleiner zu werden, die Angst schwindet und die Stimmung hebt sich. Aber der Schein trügt. Wer die positiven Gefühle eines Rauschs erlebt hat, will sie immer wieder hervorrufen. Bis schließlich der Körper nicht mehr in der Lage ist, selber Glückshormone zu produzieren. Die Sucht wächst und nimmt zerstörerische Formen an. Sie durchdringt das ganze Leben und zwingt in eine unvorstellbare Abhängigkeit.

„Von allen Seiten umgibst Du mich und hältst Deine Hand über mir; und nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich halten“ – so heißt es in einem biblischen Psalm. Die Zusage der Geborgenheit bei Gott verheißt einen anderen Halt – ohne Rausch und ohne Flucht aus der Realität.
Diese Verheißung gilt auch Menschen, die drogenabhängig geworden sind und einen Weg in die Zukunft suchen. Dass sie angenommen werden, ist ein erster Schritt.

Das geschieht in unserer Stadt in vielfältigen Formen. Seit mehr als 30 Jahren ist der Selbsthilfeverein Teen Challenge Berlin aktiv. In dem Straßencafé des Vereins können Drogenabhängige etwas essen und trinken, ihre Wäsche waschen, miteinander reden. Informationen über Drogenhilfe, Selbsthilfegruppen, Therapieangebote und eine Übergangseinrichtung zeigen einen möglichen Weg in die Freiheit auf. Mit großem Engagement kümmern sich Ehrenamtliche um Menschen, die aus ihrem Leben herauszufallen drohen. Aber kein Mensch ist ein hoffnungsloser Fall. Das gilt auch für Drogenkranke. Dass an jedem zweiten Tag in Berlin einer von ihnen stirbt, ist kein Naturgesetz.