Wetterfrosch für Olympia

Goldregen bei gefühlten 54 Grad - Silke Hansen erstellt in Peking Wetterprognosen für die Olympischen Wettkämpfe

23. Juli 2008


Oft sind es die kleinen Unterschiede, die im Sport über Sieg und Niederlage entscheiden. Etwa, ob die Athleten sich auf die richtigen Wetterverhältnisse eingestellt haben. Bei den Olympischen Spielen in Peking könnte daher Silke Hansen sehr gefragt sein. Die Leiterin der Wetterredaktion des Hessischen Rundfunks wird am 4. August in die chinesische Hauptstadt reisen, um dort tägliche Wetter-Prognosen erstellen. Nicht nur die Zuschauer vor den Fernsehern werden diese mit Interesse verfolgen.

Insgesamt bereitet Hansen das Wetter in Peking Sorgen. Sie rechnet mit Temperaturen von 32 Grad bei einer hohen Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent. "Scheint dann noch die Sonne dazu, liegt die 'gefühlte Temperatur' bei 54 Grad", sagt Hansen. Hinzu kommt der zu erwartende Smog. Und bereits ab gefühlten 38 Grad empfehle die Weltgesundheitsorganisation (WHO), klimatisierte Räume aufzusuchen.

Wenn es daheim keine Klimaanlage gibt, schlägt die WHO sogar ein Einkaufszentrum vor. Eher unwahrscheinlich ist aber, dass sich etwa die Marathonläufer beim Rennen um Gold ein Päuschen zwischen Elektroabteilung und Damenoberbekleidung genehmigen werden.

Um für Peking gerüstet zu sein, hat Hansen in den vergangenen Wochen ihr Lauftraining ein wenig intensiviert. "Ich will ja nicht die erste sein, die schon bei der Ankunft am Flughafen umkippt", sagt sie. Vor allem aber hat sie sich bereits mit der Geografie Pekings vertraut gemacht, die eine Wetterprognose nicht gerade erleichtert.

"Im Norden und Westen Pekings gibt es viele Berge. Wenn von dort Regenwolken kommen, ist entscheidend, auf welcher Höhe sie sich bewegen. Stoßen sie an den Berg, regnet es in Peking nicht. Schweben sie knapp darüber, wird es nass", erklärt Hansen. Ob die Sonne scheine oder es in Strömen regne, sei für Sportler und Fernsehzuschauer ein Unterschied wie Tag und Nacht. Für eine Wettervorhersage liege der Unterschied aber oft bei nur 300 Metern, die die Wolken höher oder tiefer flögen, sagt Hansen.

Noch komplizierter wird die "Olympia-Prognose" dadurch, dass die Verantwortlichen in China nichts dem Zufall überlassen und gegen Regen notfalls mit Chemie zu Felde ziehen wollen. Dazu stehen Flugzeuge und Raketen bereit, die aufziehende Regenwolken mit Silber-Jodid besprühen sollen, bevor sie Peking erreichen. "In einer Wolke bewegen sich - vereinfacht ausgedrückt - kleine Wassertröpfchen auf und ab. Dabei verbinden sie sich mit anderen kleinen Tröpfchen und werden langsam immer größer", sagt Hansen. Haben die Tropfen eine bestimmte Größe erreicht, regnet es.

Mit Silber-Jodid könne dieser Prozess erheblich beschleunigt werden. Wolken könnten dann gezielt dazu gebracht werden, abzuregnen, erklärt Wetterfrau Hansen. Eine treffende Wetterprognose mache dieser menschliche Eingriff in die Natur geradezu unmöglich.

Die Olympischen Spiele in Peking sind nicht das erste sportliche Großereignis, bei dem Hansen das Wetter voraussagt. Bereits 2006 war sie bei den Olympischen Winterspielen in Turin dabei. Nach einem Auftritt in der ARD-Sendung "Waldi und Harry" wandte sich dort ein Betreuer der Skisprung-Nationalmannschaft an Hansen und bat sie, eine Prognose für die anstehenden Wettkämpfe zu erstellen. "Noch stärker als bei Sommerdisziplinen kommt es im Winter auch auf die richtige Materialwahl an", sagt Hansen.

Auch die Formel 1 ist eine Materialschlacht. Lohnt es sich, Regenreifen aufzuziehen oder ist der Schauer gleich vorüber? Da solche Fragen rennentscheidend sind, engagierte das Formel-1-Team BMW Williams Hansen drei Jahre lang als persönliche Wetterfee. Aktuell arbeitet sie bei der Rallye-Weltmeisterschaft für das Team Ford. In Peking fühlt sie sich hingegen zuerst den Zuschauern der ARD verpflichtet. "Aber wenn ein Sportler von mir Informationen braucht, helfe ich gerne weiter", sagt sie. Und so trägt Hansen vielleicht ein wenig mit dazu bei, wenn deutsche Athleten Medaillen gewinnen. (epd)