Bischofswort - RBB 88acht

Wolfgang Huber

28. Juni 2008


Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Am vergangenen Montag vor vierzig Jahren, am 23. Juni 1968, wurde der Turm der Garnisonkirche in Potsdam gesprengt. Widerstreitende Traditionen verbinden sich mit dieser Kirche. Auf der einen Seite wurde das Gotteshaus für den Staatsakt zur Eröffnung des Reichstages am 21. März 1933 missbraucht. Der so genannte Tag von Potsdam bedeutete die sinnbildliche Auslieferung der preußischen Tradition an die Nationalsozialisten. Auch die evangelische Kirche beteiligte sich an dem traurigen Schauspiel, in dem sich in Wahrheit der Abschied von der parlamentarischen Demokratie vollzog. Auf der anderen Seite schärften Offiziere des berühmten Infanterieregiments 9 in eben dieser Kirche unter dem Anspruch Gottes ihr Gewissen. Einige von ihnen gehörten zum Kreis des 20. Juli 1944, des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler.

Als Potsdams Mitte nach Kriegsende in Schutt und Asche liegt, finden sich relativ bald Menschen, die einen Raum im Sockel des stehen gebliebenen Garnisonkirchturms wieder zu Gottesdiensten nutzen. Insbesondere junge Leute bitten Gott um Vergebung für das, was andere Völker durch deutsche Soldaten erleiden mussten. Sie beten für eine Zukunft in Frieden und Freiheit.

Dennoch ordnet die DDR-Regierung die Sprengung des Turms an. Als Vorwand dient ihr die Erinnerung an den Tag von Potsdam. Anfang Mai 1968 schreibt Generalsuperintendent Horst Lahr: „Eben erhalte ich den Enteignungsbescheid für unsere Kirche mit Wirkung vom 3. Mai 1968. Damit sind die Würfel gefallen. Nun lade ich Sie ein zu einer kurzen Feier heute abend um 21.30 Uhr in der Kapelle. Wir wollen miteinander eine letzte Andacht halten.“

In den biblischen Schriften sind vierzig Jahre eine bedeutsame Zeitspanne. Vierzig Jahre lang wanderte das Volk Israel durch die Wüste. Es war eine Zeit des Mangels, aber auch der Bewahrung durch Gott. Schon 1968 gab es Stimmen, die an den Wiederaufbau der Garnisonkirche glaubten. Doch es sollte eben jene biblischen vierzig Jahre dauern, bis es gelang, dem Ziel ein entscheidendes Stück näher zu kommen.

Mit der Gründung der Stiftung Garnisonkirche in dieser Woche ist nun ein wichtiger Schritt getan. Viele einzelne haben sich gemeinsam mit der Stadt Potsdam, dem Land Brandenburg und der evangelischen Kirche dem Ziel verschrieben, die Garnisonkirche wieder zu errichten, mit dem Turm beginnend. Doch geht es nicht nur um den Wiederaufbau des Gebäudes in seiner alten Gestalt in Potsdams historischer Mitte. Ebenso wichtig ist die Wahrnehmung dieses Gotteshauses als Ort des Scheiterns und des Widerstands im Nationalsozialismus. Aus diesem Grund will die Stiftung die Friedens- und Versöhnungsarbeit zwischen den Völkern fördern. Gerade an diesem Ort soll eine Schule des Gewissens entstehen, in der wir uns vor Gott und den Menschen fragen können, worin unsere Verantwortung heute besteht.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. Bleiben Sie behütet!