Denkfabrik wird 50 Jahre alt

Die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) feiert

18. Juni 2008


In der Führungsriege der evangelischen Kirche und Theologie sind ehemalige FEST-Mitarbeiter keine Seltenheit. Bischöfe, Beauftragte und namhafte Theologieprofessoren machten in ihrer Karriere im Schmeilweg in Heidelberg Station. Dort hat die kurz FEST genannte "Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft" ihr Domizil. Die evangelische Denkfabrik, an der stets auch prominente protestantische Wissenschaftler aus anderen Disziplinen wirkten, besteht seit 50 Jahren.

Dass bei dieser Gelegenheit der Ratsvorsitzende der EKD, Wolfgang Huber, den Hauptvortrag über "Wissenschaft und Gottesglaube" hält, ist kaum Zufall. Der Berliner Bischof war von 1968 bis 1980 Mitarbeiter und stellvertretender Leiter der interdisziplinären Forschungsstätte. So kann der heutige Ratsvorsitzende aus berufenem Munde darstellen, dass der Dialog zwischen Wissenschaft und Gottesglaube das aktuelle Thema der Forschungsstätte ist, weil die Gesellschaft Antworten auf Fragen braucht, die – wie Huber selbst sagt – „enzyklopädische Dimensionen“ hat. So spannt der Ratsvorsitzende in seinem Festvortrag auch einen weiten Bogen und lässt den Mathematiker Galileo Galilei und den Theologen Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher zu Wort kommen. Beide fordern ein bestimmtes Verhältnis von Gottesglauben und Wissenschaft ein – Wolfgang Huber gibt seine Antwort angesichts der Debatte dieser Tage, zu der sich der Rat der EKD auch in dem Text „Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der Schule“ geäußert hat. Huber lobt die Fest als den Ort, an dem der Dialog zwischen Wissenschaft und Gottesglaube gesucht werde.

Wie der Ratsvorsitzende kam auch Petra Bahr über Heidelberg zur EKD, wo sie nun als Kulturbeauftragte Anstöße für den Austausch von Kirchenleuten und Kulturschaffenden gibt. Seit 2000 war Bahr theologische Referentin an der FEST und begleitete den Konsultationsprozess "Protestantismus und Kultur".

Aktuelle Themen aufzunehmen und mit wissenschaftlichem Sachverstand und gutachterlicher Kompetenz zu behandeln, ist die Aufgabe der FEST. Lang ist die Liste der Themen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Heidelberg angegangen wurden. Neben der Begegnung zwischen „Protestantismus und Kultur“ sind dies Themen aus den Bereichen Frieden und nachhaltige Entwicklung sowie Theologie und Naturwissenschaft. Die Einrichtung wird getragen von der EKD und den Landeskirchen, den Evangelischen Akademien sowie dem Deutschen Evangelischen Kirchentag. Die FEST entstand 1957/58 aus der Zusammenlegung zweier kleinerer kirchlicher Einrichtungen. Der erste Leiter des Instituts war der international renommierte Religionsphilosoph und Bildungsexperte Georg Picht (1913-1982). Der Tübinger Theologieprofessor Eberhard Jüngel leitete das Institut von 2003 bis 2006. Danach übernahm der Rechtswissenschaftler Eberhard Schmidt-Aßmann die Leitung. Die Mitarbeiter der FEST wenden sich grundsätzlich Themen zu, bei denen im gesellschaftlichen Diskurs auch die Kirche herausgefordert ist. Dies sei der Fall in den Wissenschaften, der Politik, dem Schutz der Umwelt sowie auf unterschiedlichen Ebenen gesellschaftlichen Lebens. Eine lange Tradition hat die Arbeit auf dem Feld der Friedensethik und Rüstungskontrolle. Bis heute trägt das Institut zu den Analysen bei, die seit zwei Jahrzehnten jährlich als gemeinsames Friedensgutachten der bundesdeutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute publiziert wird.

Der Schwerpunkt „Friedensethik“ hat sich historisch herausgebildet: Eine erste Bewährung ergab sich für das Institut durch eine Bitte des evangelischen Militärbischofs Hermann Kunst (1907-1999). Vor dem Hintergrund des kirchlichen Streits über Militärseelsorge und mögliche Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen sollte es der Frage nachgehen, welche friedensethische Positionen angesichts der Massenvernichtungswaffen für Christen möglich seien. Die Beratungen unter Leitung des Physikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) mündeten 1959 in die "Heidelberger Thesen", die über Jahrzehnte die friedenspolitische Position der EKD bestimmte.

Friedensforschung blieb ein Schwerpunkt der Wissenschaftler an der Forschungsstätte. Doch vor allem nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und unter dem Eindruck der Globalisierung rückten andere Aufgaben in den Blick: neben den Schwerpunkt Frieden trat die nachhaltige Entwicklung, zum Kirchenrecht kam das Thema Religion und Kultur, Medizinethik gewann an Bedeutung ebenso wie künstliche Intelligenz. Hinzu kamen Querschnittsthemen wie "internationale Gerechtigkeit". Dauerthema ist das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften, auch der derzeitige Umweltbeauftragte des Rates der EKD, Hans Diefenbacher, gehört zum Mitarbeiterstamm der FEST in Heidelberg. So profitiert die evangelische Kirche direkt vom Engagement und der Kompetenz, die Hans Diefenbacher im interdisziplinären Dialog der FEST erfährt, für ihre umweltpolitischen Urteilsbildung und Äußerungen. (mit epd)

Festvortrag des EKD-Ratsvorsitzenden

EKD-Text 94

Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST)