Musiker und Brückenbauer

Der Dirigent Helmuth Rilling wird 75 Jahre alt

26. Mai 2008


Helmuth Rilling steckt die Menschen an mit seiner Musik-Begeisterung. "Ich möchte die Zuhörer in mein Nachdenken über die Musik einbeziehen", sagt der Dirigent und Kirchenmusiker, der am 29. Mai 75 Jahre alt wird. Vor allem als Interpret des Komponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750) ist er weltweit bekannt. Als Gastdirigent ist Rilling in den USA, Kanada, Südamerika, Japan und Israel unterwegs.

1933 in Stuttgart geboren, studierte Rilling zunächst Schulmusik in seiner Geburtsstadt, dann Orgel in Italien. Er wurde Kirchenmusikdirektor in Stuttgart, dann Professor für Chorleitung in Frankfurt. Dort lernte er auch seine spätere Frau Martina kennen. Seine Entscheidung für den Dirigentenberuf entwickelte sich im Lauf der Jahre: "Es macht mir mehr Freude, mit Menschen zusammen zu musizieren, als nur an der Orgel allein Musik zu machen", sagt der freundliche Mann mit dem weißen Haar.

Rilling ist kein Mensch, der spaltet, sondern der verbindet. Als erster deutscher Dirigent hat er 1976 das Israel Philharmonic Orchestra dirigiert. Bis heute liegen Rilling seine Besuche in Israel und die Beziehung zu den Musikern besonders am Herzen. Wichtig ist ihm auch das jährliche Europäische Musikfest in Stuttgart, bei dem junge Menschen aus rund 20 Nationen gemeinsam musizieren.

Rillings Engagement für Frieden und Verständigung spiegelt sich in seinen Auszeichnungen wider: Neben musikalischen Ehrungen wie dem Grammy Award (2001) für die beste Chordarbietung und dem Preis der Europäischen Kirchenmusik (2008) sind darunter der Theodor-Heuss-Preis für bürgerschaftliches Engagement und der internationale Musikpreis der UNESCO (1994), den die 1981 von Rilling gegründete Internationale Bachakademie erhielt. Die Akademie widmet sich dem Werk Johann Sebastian Bachs mit Meisterkursen für Sänger und Dirigenten, Tagungen und Konzerten.

"Selbstverständlich", sagt Rilling, habe er sich über alle Auszeichnungen gefreut. Wenn er aber eine herausgreifen solle, dann sei es die Ehrendoktorwürde der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Der Professor für Praktische Theologie, Dietrich Rössler, würdigte Rilling 1985 in seiner Laudatio als "Musiker, dem die evangelische Kirchenmusik eine neue Gestalt verdankt". Rilling verstehe die evangelische Kirchenmusik zugleich als musikalische und als theologische Aufgabe.

Niemand müsse zwangsläufig Christ sein, wenn er seinen Lieblingskomponisten Bach interpretiere, sagt Rilling. Aber er müsse wissen, was die Texte sagen wollten, die das Evangelium verkünden. Überhaupt könne nur der wirklich Musizieren, der mit dem Kopf dabei sei, urteilt er. "Töne spielen" reiche nicht aus. Ein Dirigent muss in Rillings Augen gut hören können, die Dirigiertechnik souverän beherrschen, aber auch mit Menschen umzugehen wissen. Das gibt Rilling seinen Studenten an der Bachakademie weiter.

Wenn Rilling musiziert, dann verbindet er nicht nur die Menschen, die ihm zuhören, sondern auch die Musiker und Sänger seiner Ensembles: "Wenn beides zusammenkommt, Orchester und Chor, dann bedeutet mir das sehr viel." Die Gächinger Kantorei und das Bach-Collegium Stuttgart, die Rilling 1954 und 1965 gründete, leitet er bis heute.

Auch mit seiner Familie musizierte Rilling in frühen Jahren sehr gern. Heute singt seine Frau Martina in der Gächinger Kantorei, die überwiegend aus Profi-Musikern besteht. Auch die erwachsenen Töchter Sara und Rahel sind Berufsmusikerinnen. Rillings dunkle Augen strahlen vor Lebendigkeit, wenn er lächelt, und das tut er nicht selten. Es scheint, als könnte ihn nichts aus Ruhe bringen. Nur das Reisen empfinde er als anstrengend, sagt er. Aber auch nur so lange, wie er den Jetlag spürt.

Helmuth Rilling

Internationale Bachakademie Stuttgart