Nordirland: Der lange Weg zum Frieden

Wie ein evangelischer und ein katholischer Geistlicher für Versöhnung arbeiten

22. Mai 2008


„Manchmal ist es ein bisschen wie bei James Bond.“ Jeremy Gardiner schmunzelt. Der evangelische Jugenddiakon aus Ballymena, der zweitgrößten Stadt Nordirlands, ist zu Gast bei einer Begegnung mit der Ratsdelegation der EKD, die Anfang der Woche Belfast besuchte. Gardiner engagiert sich in der Friedensarbeit. Über Jahrzehnte waren die Konfessionen Nordirlands tief verfeindet, lieferten sich einen blutigen Kampf, in dem fast viertausend Menschen das Leben verloren. Vor genau zehn Jahren wurde endlich Frieden geschlossen – doch bis zum Frieden in den Herzen ist es noch ein weiter Weg, wie die Geschichte von Jeremy Gardiner zeigt.

Er bemüht sich um Kontakte zwischen katholischen und protestantischen Jugendlichen, organisiert gemeinsame Unternehmungen wie etwa Ausflüge zum Fußball, damit sich die jungen Leute kennen lernen und Vorurteile überwinden können. Inzwischen arbeite er auch mit den paramilitärischen Gruppen zusammen, die immer noch eine wichtige Rolle in den Bevölkerungsgruppen Nordirlands spielen. Auf die Frage, wie denn eine solche Zusammenarbeit zu gestalten sei, lacht er. „Du kannst sie nicht anrufen – sie rufen dich an.“

So war es auch bei ihm – eben so ähnlich wie in einem James Bond-Film. Es ist noch keine drei Jahre her – immerhin bereits sieben Jahre nach dem Friedensabkommen zwischen den verfeindeten Parteien in Nordirland - da wurde die katholische Kirche in Gardiners Nachbarschaft wiederholt nachts mit Farbbeuteln beworfen oder mit Graffiti beschmiert. Gardiner überlegte nicht lange. Er rief einige Jugendliche aus seiner Gemeinde zusammen und gemeinsam mit Mitgliedern anderer protestantischer Gemeinden zogen sie mit Bürsten und Eimern zur Reinigungsaktion. „Wir wollten ein Zeichen der Solidarität setzen“, erzählt er. Gardiner und seine Gruppe bekamen viele positive Reaktionen – aber das war nur die eine Seite. „Von manchen Mitgliedern unserer eigenen Gemeinden wurden wir ganz übel beschimpft“, erinnert er sich. „Das war ein Riesenschock für mich, damit hatte ich nicht gerechnet.“

Und dann kam der Anruf der Paramilitärs. Man wolle mit ihm sprechen. Zum verabredeten Treffen dürfe er einen Freund mitbringen, hieß es. „Ich wusste nicht genau – schießen die mir jetzt gleich in die Knie?“ Noch immer ist die Zahl der politisch motivierten Mordfälle in Nordirland hoch. „Die erste Frage war: Warum hast du das gemacht, das mit der katholischen Kirche, warum habt ihr die sauber gemacht?“ erinnert sich Gardiner. „Und da habe ich mir gesagt, nun gibt es zwei Alternativen. Entweder ich mache einen Rückzieher, oder ich stehe ein für meine Überzeugungen.“ Er entschied sich für die zweite Option. Nachdem er ihnen erklärt hatte, warum er es für eine Christenpflicht halte, gegen Unrecht und Hass aufzustehen, schwiegen die Männer ihm gegenüber. Und dann sagten sie: „Wir wollen mit dir zusammen arbeiten.“

Es folgten lange Gespräche. Irgendwann erklärte Jeremy Gardiner den Paramilitärs, dass sie sich auch mit dem katholischen Priester vor Ort, Paul Symonds, treffen müssten, wenn sie wirklich an Aussöhnung interessiert seien. „Niemals!“ war die Antwort. Doch nach ein paar Tagen kam der nächste Anruf – und ein Gespräch mit Father Paul wurde arrangiert.

Die beiden Geistlichen sind heute gut befreundet. Es wird noch lange dauern, bis die Wunden der Vergangenheit geheilt sind, vermuten beide. Nach dem Empfang des Belfaster Kirchenrates brechen die beiden gemeinsam auf, zurück nach Ballymena.