Pfarrer an der Aschenbahn

Thomas Weber begleitet als Olympiapfarrer die deutsche Mannschaft nach Peking

16. Mai 2008


Gewinnen Sportler, die vor dem Wettkampf beten, eher die Goldmedaille als Nichtgläubige? Diese Frage wird dem "Olympiapfarrer" Thomas Weber häufig gestellt. "Das ist natürlich Quatsch", sagt der evangelische Theologe, der im August die deutsche Mannschaft zu den Olympischen Spielen nach Peking begleiten wird. Aber das Angebot zu vertraulichen Gesprächen über "Gott und die Welt" wird nach seiner Erfahrung von den Sportlern gerne angenommen. In diesem Jahr könnte auch der Konflikt um Tibet ein Thema werden.

"Als Pfarrer ist man dort ein Exot", erzählt der 48-jährige Gemeindepfarrer im westfälischen Gevelsberg bei Wuppertal über seine Erfahrungen bei Spitzenwettkämpfen. Die Leute rechneten mit allen möglichen Experten, einen Pfarrer erwarte man an der Aschenbahn aber so ziemlich als letzten. "Das ist auch eine große Chance", erklärt Weber, der zusammen mit seinem katholischen Kollegen Hans-Gerd Schütt geistlicher Ansprechpartner für die gesamte deutsche Delegation ist. Eingeladen werden die Pfarrer offiziell vom Deutschen Olympischen Sportbund.

"Es sind nicht nur die Sportler, die unter einem enormen Druck stehen", so Weber. Auch für die Trainer hängt ihre weitere Karriere von den Erfolgen ab. Neben dem Angebot eines deutschsprachigen Gottesdienstes im religiösen Zentrum wollen die Theologen vor allem Räume bieten, in denen nicht die Leistung im Vordergrund steht.

Es tue gut, einmal mit jemanden über die ganz normalen Dinge des Lebens sprechen zu können, ohne dass man damit rechnen müsse, dass das am nächsten Tag in der Zeitung stehe, hat sich ein Sportler nach den Winterspielen 2006 in Turin bei Weber bedankt. Themen der Gespräche seien oft die Familie, die weitere Lebensplanung oder die Angst vor Verletzungen und die Angst vor dem Ende der Karriere.

In letzter Zeit wird Weber auch oft danach gefragt, wie er zu Chinas Umgang mit Tibet steht. Bei diesem Thema möchte er sich zurückhalten: "Ich bin kein China-Experte." Vielmehr will er im August zunächst selbst einen Eindruck von China gewinnen. Die Gedanken der meisten Athleten werden sich in dieser Zeit vor allem um den Sport drehen, schätzt er. Wenn Sportler aber das Bedürfnis haben, über Tibet zu reden, will er sie unterstützen, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Der westfälische Präses Alfred Buß wertet es als anspruchsvolle Aufgabe, Sportlern bei einem Großereignis im Blick der Weltöffentlichkeit wie den Olympischen Spielen als Seelsorger zur Seite zu stehen. Viele Athleten mit einem wachen Gewissen sähen sich in der Spannung zwischen Sport und Protest. In diesem Spannungsfeld werde der evangelische Olympia-Seelsorger "behutsam und mit aufrechtem Gang" arbeiten, sagt Buß.

Für Weber selbst geht es nicht allein um das Thema Tibet, sondern auch um die Lebensbedingungen von anderen ethnischen und religiösen Minderheiten in dem 1,3 Milliarden-Einwohner-Staat. So will er Kontakt zur deutschen evangelischen Gemeinde in Peking aufnehmen: "Zu sehen, wie der Alltag gelebt wird, finde ich sehr spannend."

An den Wettkämpfen fasziniert Weber, dass sie eine eigene Welt schaffen: "In der Stunde des Sieges hat man viele Freunde." Aber erst das Überwinden einer Niederlage forme die Persönlichkeit. "Olympiapfarrer" ist Weber, der auch dem Vorstand des Arbeitskreises "Kirche und Sport" angehört, im Nebenamt. Der knapp über zwei Meter große Theologe spielt Handball und Tennis, zudem fährt er leidenschaftlich gern Fahrrad und Ski.

Das Angebot der Kirchen werde von Seiten des Sports immer wieder nachgefragt, erklärte die Evangelische Kirche in Deutschland bei der Ernennung Webers zum "Olympiapfarrer" für Peking. Dass das Angebot ankommt, hat der Theologe immer wieder in persönlichen Gesprächen und E-Mails erfahren. Ein weiteres Erfolgserlebnis ist der Wunsch eines Kampfrichters, dass Weber sein Neugeborenes in diesen Tagen tauft: "Da merke ich, dass die Kontakte etwas bewirkt haben." Vorher hatte der Kamprichter mit Kirche nicht viel zu tun.

Arbeitskreis Kirche und Sport schaut nach Peking

Informationen zum Sport im EKD-Internetangebot

Berichte über frühere kirchliche Präsenz bei olympischen Spielen und Paralympics