Studium mit Blick auf den Garten Gethsemane

In Jerusalem lernen deutsche Theologiestudenten den Alltag zwischen den Religionen kennen

11. April 2008


Näher können Studenten ihrem Forschungsgegenstand wohl kaum kommen: Der Hörsaal liegt direkt vor der Altstadtmauer Jerusalems, durch die breite Fensterfront kann man auf der anderen Seite des Tals den Ölberg und den Garten Gethsemane sehen. Acht Monate leben und studieren 20 evangelische und katholische Theologiestudenten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hier unter einem Dach.

Das "Theologische Studienjahr Jerusalem" gibt es seit 34 Jahren und wird angeboten von den Benediktinermönchen der Dormitio Abtei. Sie liegt auf dem Berg Zion an der Stelle, an der sich die christliche Urgemeinde nach dem Tod Jesu niedergelassen haben soll.

Neben der Frage nach Abwasch und Getränkedienst steht vor allem eines im Mittelpunkt: Die Ökumene. Denn in der Heimat studieren die einen katholische, die anderen evangelische Theologie. "Am Anfang haben wir oft Abende lang diskutiert", sagt die 22-jährige Lea Herberg. Es sei vor allem um die Abendmahls-Auffassung gegangen und die Gestaltung des Gottesdienstes. "Aber irgendwann merkt man, dass es wichtigere Dinge gibt."

Die Studenten im "Beit Joseph", dem Haus Joseph, sehen sich morgens beim Frühstück, tagsüber in der Vorlesung und abends bei gemeinsamen Veranstaltungen. Fast erinnert das Zusammenleben an den Ausflug einer Schulklasse ins Landschulheim. Einige sitzen mit ihren Hausschlappen im Hörsaal, während aus der Küche im Keller der Duft von frisch gebackenem Kuchen durch das Treppenhaus zieht. Studenten und Dozenten wohnen unter einem Dach. "Es gibt keine Uni in Deutschland, in der man so intensiv miteinander Theologie studiert", urteilt Studienassistentin Christiane Schubert.

Unterstützt werden die Studenten durch Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der auch die endgültige Auswahl trifft. Denn nicht jeder Bewerber darf nach Israel. "Fundierte Vorkenntnisse im Neuen und Alten Testament, sowie in Hebräisch und Latein müssen die Bewerber mitbringen", sagt der stellvertretende Studiendekan Wilfried Eisele.

Im Mittelpunkt des straffen Studiums stehen Bibelauslegung, biblische und christliche Archäologie und Ökumene. Hinzu kommen Vorlesungen und Seminare zu Judentum und Islam. Ein Punkt, den Eisele für wichtig hält: "Viele der Studenten werden sich erst hier richtig bewusst, was es für das Christentum bedeutet, dass Jesus Jude war." In Jerusalem hätten sie die Möglichkeit, andere Religionen "live" kennenzulernen. Regelmäßig gibt es außerdem Gastvorträge von einheimischen Rabbinern, Botschaftern, Journalisten oder Schriftstellern.

Besonders beliebt bei den Studenten sind die Exkursionen, die zeigen sollen, "dass Theologie nicht nur Textwissenschaft, sondern auch praxisorientiert ist", wie Eisele sagt. So verbrachten sie zehn Tage auf der Halbinsel Sinai und schliefen dort unter freiem Himmel, waren eine Woche am See Genezareth auf den Spuren Jesu, erkundeten die Altstadt Jerusalems ebenso wie das palästinensische Westjordanland.

"Das Studium wird dadurch konkreter und bleibt nicht mehr so abstrakt", findet Tina Goede, die in München evangelische Theologie studiert, um Pfarrerin zu werden. "Hier wird man im Alltag mit anderen Konfessionen und Religionen konfrontiert und muss sich zwangsläufig mit deren Religionsverständnis auseinandersetzen." Das helfe ihr auch, sagt sie, ihre eigene Glaubensauffassung noch einmal zu klären.

Studienjahr Jerusalem