Das Berliner Johannesstift feiert sein 150. Jubiläum

"Dem Preußischen Vaterland und der evangelischen Kirche dienen"

09. April 2008


"Das Johannesstift ist ein eigenes kleines Dorf", sagt Stiftsvorsteher Martin von Essen. Vom Bücherladen bis zum Café ist hier alles vorhanden. Eine Platanen gesäumte Allee läuft auf die Kirche im Zentrum der Siedlung zu. Und doch ist das Gebäudeensemble, das heute unter Denkmalschutz steht, mehr: Es ist eines der ältesten diakonischen Einrichtungen Berlins und feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Jubiläum. Gegründet wurde das Stift vom Vater der modernen Diakonie, Johann Hinrich Wichern, an dessen 200. Geburtstag die evangelische Kirche 2008 mit einem "Wichernjahr" erinnert.

Nicht das ländliche Idyll am Rand Berlins, sondern eine Männer-WG im Zentrum Berlins sind der Anfang der Einrichtung, in der heute rund 2.000 Behinderte, Kranke, Kinder und Jugendliche betreut werden. 1858 schickte der Hamburger Theologe Johann Hinrich Wichern sieben Diakone nach Berlin. Sie sollen in ihrer Wohngemeinschaft Brüder vor allem für die Arbeit als Aufseher im nahe gelegenen Zellengefängnis in Moabit ausbilden.

Aber nicht nur das. Mit dem Johannesstift verfolgt Wichern seine hochgesteckte Vision von einer Re-Christianisierung Preußens. Das Projekt soll "dem ganzen preußischen Vaterlande und dessen evangelischer Landeskirche dienen", erklärte er bei der Gründung in der Singakademie zu Berlin. In König Friedrich Wilhelm IV. fand er einen Förderer, der wie der Hamburger Sozialreformer von einem christlichen Preußen schwärmte. Deshalb sollen im Johannesstift auch Brüder ausgebildet werden, die den König bei der Umsetzung der geplanten preußischen Gefängnisreform unterstützen.

Als der nervenkranke König im Jahr 1861 stirbt, geraten diese Pläne ins Hintertreffen. Jetzt beginnt Wichern das Johannesstift in ein so genanntes Rettungshaus umzubauen. Er orientiert sich dabei an seinem bereits in Hamburg erfolgreichen Modell des "Rauhen Hauses". Wie in der Hansestadt sollen sich die Diakone nun um verwahrloste Kinder und Jugendliche kümmern. In Plötzensee kauft er dafür ein 30 Hektar großes Grundstück, auf dem nach und nach 30 Häuser gebaut werden. Hier sollen Menschen Hilfe erfahren, in Gemeinschaft miteinander leben, wohnen und arbeiten.

"Eigentlich wollte Wichern mit dem Johannesstift ins Zentrum der Stadt und nahe an den sozialen Problemen seiner Zeit bleiben", sagt Stiftsvorsteher Martin von Essen. Doch bereits damals war das Bauland so teuer, dass er mit Plötzensee ein Gelände in Randlage kauft. Ende des 19. Jahrhunderts musste das Gelände verkauft werden. Die Stadt Berlin wollte dort einen großen Binnenhafen bauen.

In der Folge zieht das Johannesstift an seinen jetzigen Standort im Spandauer Forst um. Neue Arbeitsfelder wie die Altenpflege und die Arbeit mit Behinderten kommen hinzu. Heute umfasst das Johannesstift rund 2.000 Mitarbeiter in etwa 40 Einrichtungen in Berlin und Brandenburg. Sie arbeiten in der Altenpflege, in Behindertenheimen und als Ärzte und Pfleger im Krankenhaus. Zudem werden Diakone ausgebildet, die in Kirchengemeinden und sozialen Einrichtungen bundesweit arbeiten. Inzwischen werden auch Frauen in diese Gemeinschaft aufgenommen.

"In erster Linie sind wir ein soziales Unternehmen", sagt von Essen. Das Stiftungsvermögen ist in den letzten Jahren auf 60 Millionen Euro gewachsen, der Jahresumsatz liegt bei 110 Millionen Euro. Erst 2007 wurde das Stift in eine Holding umgewandelt. Die Randlage begreift der Stiftsleiter dabei heute als Standortvorteil. Fernab des städtischen Trubels biete das 75 Hektar große Gelände den Kranken, Behinderten und Jugendlichen ausreichend Schutz, sagt er.

Evangelisches Johannesstift Berlin