Er hatte einen Traum - "I have a dream"

Vor 40 Jahren wurde Martin Luther King ermordet

29. März 2008


Die gelben Vorhänge zugezogen, das Bett ungemacht, die Kaffeetasse halb ausgetrunken: Besucher finden Martin Luther Kings Zimmer im ersten Stock des "Lorraine Motel" in Memphis heute genau so vor wie am Spätnachmittag des 4. April 1968, als der schwarze Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger auf dem Balkon des Motels erschossen wurde. Das zum "Nationalen Bürgerrechtsmuseum" umgebaute "Lorraine" hat Kings Zimmer im Originalzustand erhalten.

Auch in dem schräg gegenüber liegenden, etwa 70 Meter entfernten Mietshaus scheint die Zeit stehen geblieben. Nichts hat man dort verändert in dem Badezimmer, von dessen Fenster der für das Attentat verurteilte James Earl Ray sein Opfer ins Visier nahm. Martin Luther King war 39 Jahre alt, als eine Kugel ihm den Hals und den Kiefer zerfetzte.

Heute ist King, geboren am 15. Januar 1929 in Atlanta, Inbegriff der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Der dritte Montag im Januar ist seit 1986 Nationalfeiertag zu seinen Ehren. Man erinnert sich vor allem an Kings Rede beim Marsch auf Washington 1963, in der er beklagte, dass Schwarze noch immer unter den "Fesseln der Rassentrennung und den Ketten der Diskriminierung" litten. "I have a dream", rief Martin Luther King damals, "ich habe einen Traum", dass eines Tages "die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen". Und weiter: "Ich träume, dass eines Tages meine vier kleinen Kinder in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt."

Der von Mahatma Gandhis Lehre tief beeindruckte King führte Kundgebungen nach dem Prinzip des gewaltfreien Widerstands durch. Vielerorts kämpften Weiße freilich erbittert gegen die schwarzen Forderungen nach Gleichberechtigung, und die Bundespolizei FBI witterte "kommunistischen Einfluss" auf Baptistenpastor King. Mehr als 30 Mal wurde er inhaftiert. 1964 erhielt King den Friedensnobelpreis. Im selben Jahr unterzeichnete Präsident Lyndon Johnson ein weit reichendes Bürgerrechtsgesetz, um Schwarzen das Wahlrecht zu garantieren und Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen abzuschaffen.

Das Verbrechen von Memphis war zunächst schnell aufgeklärt. Vor dem  heruntergekommenen Mietshaus schräg gegenüber des "Lorraine Motel" wurde die Mordwaffe gefunden, ein Remington-Gewehr mit Rays Fingerabdrücken. Wohl um der Todesstrafe zu entgehen, bekannte er sich schuldig. Ray wurde zu 99 Jahren Haft verurteilt - und widerrief das Geständnis ein paar Tage später.

Seitdem wird gestritten um die Tathintergründe, Verschwörungstheorien machen die Runde. Ray, bettelarm aufgewachsen, hatte sich bisher als Kleinkrimineller und Gelegenheitsarbeiter durchs Leben geschlagen: Diebstahl, Raub, Scheckfälschung. Nun heuerte er eine Reihe vom Anwälten an, um eine Urteilsrevision zu erzwingen, darunter den antisemitischen Publizisten J. B. Stoner. Ray starb im April 1998 an Nieren- und Leberversagen, ohne dass das Verfahren wieder aufgenommen wurde.

Selbst Kings 2006 verstorbene Witwe Coretta und sein Sohn Dexter hatten Zweifel angemeldet an Rays Schuld. Gerald Posner, Autor eines Buches über das Attentat ("Killing the Dream") erklärte, es sei verständlich, dass viele Menschen trotz der einschlägigen Beweise Rays Schuld bezweifelten und eine Verschwörung von Regierungsstellen ausmachten. Das FBI habe Martin Luther King "gehasst" und die Öffentlichkeit suche nach einer "großen" Erklärung für einen so monumentalen Mord.

Nach dem Tod Martin Luther Kings explodierten in dutzenden Städten die Proteste. 39 Menschen kamen ums Leben. In der Hauptstadt Washington gingen ganze Straßenzüge in Flammen auf. Die Zeit der gewaltfreien Bürgerrechtsbewegung schien zu Ende zu sein. "Jetzt, wo sie Dr. King weggeputzt haben, ist es Zeit, mit diesem Blödsinn der Gewaltlosigkeit Schluss zu machen", verkündete Stokely Carmichael, ein Anführer der neuen, radikalen Schwarzenbewegung "Black Panther Party".

Martin Luther King wäre heute 79 Jahre alt. In seiner letzten Rede am Tag vor dem Mord klang so etwas wie Vorahnung durch. "Wie jeder andere würde ich gerne lange leben", sagte King. "Aber darüber mache ich mir jetzt keine Sorgen". Und weiter: "Aber ihr sollt heute Abend wissen, dass wir, als ein Volk, in das Gelobte Land gelangen werden."

Kings Redenschreiber Clarence Jones hat jüngst spekuliert, wie King mit der politischen Realität des Jahres 2008 umgehen würde, mit Vorwahlkampf und anstehenden Präsidentenwahlen. Er komme zum Schluss, so Jones, dass die Kandidatur des Afro-Amerikaners Barack Obama wohl ein "Stück von dem Gelobten Land" sei, von dem Martin Luther King gesprochen habe.

"I have a dream" - Rede von Martin Luther King vom 1963 als Google-Video