Zeichen der Versöhnung

Vor 50 Jahren wurde die Aktion Sühnezeichen ins Leben gerufen

13. März 2008


Die Zahlen spiegeln das Grauen: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg dürften 50 Millionen Menschen das Leben gekostet haben, annähernd sechs Millionen Juden wurden Opfer systematischer Vernichtung. "Deutsche haben in frevlerischem Aufstand gegen Gott Millionen von Juden umgebracht", erklärt der Magdeburger Präses Lothar Kreyssig bereits 1958 auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin.

Es war ein für die damalige Zeit seltenes Schuldeingeständnis, bei dem es nach dem Willen des Juristen auch nicht bleiben sollte: "Wir bitten die Völker, die Gewalt von uns erlitten haben, dass sie uns erlauben, mit unseren Händen und mit unseren Mitteln in ihrem Land Gutes zu tun". Kreyssigs Appell, den Verbrechen Zeichen der Versöhnung entgegenzusetzen, wird zur Geburtsstunde der Aktion Sühnezeichen. Mit zahlreichen Veranstaltungen wird die Friedensorganisation in den kommenden Wochen ihr 50-jähriges Bestehen feiern. Höhepunkt ist eine Festwoche Ende April in Berlin.

Bereits ein Jahr nach dem Gründungsaufruf werden die ersten Deutschen ins Ausland entsendet. Im südniederländischen Outdorp bauen sie eine Feriensiedlung für Arbeiter. In der norwegischen Finnmark errichten sie eine Kirche. Seit diesen Anfängen haben 10.000 junge Menschen an Arbeitseinsätzen im In- und Ausland teilgenommen. Einer von ihnen ist der Regisseur Robert Thalheim. Seine Erfahrungen als Freiwilliger in Auschwitz hat er in dem Film "Am Ende kommen Touristen" beschrieben, der im vergangenen August in den Kinos anlief.

"Die Geschichte des Nationalsozialismus ist in unserer Gesellschaft gegenwärtig und prägt die Kommunikation zwischen den Ländern", resümiert Geschäftsführer Christian Staffa. "Darauf wollen wir aufmerksam machen." Nicht mit Worten, sondern durch Taten, will die Organisation für die deutsche Geschichte einstehen. Und so arbeiten die Freiwilligen bis heute in Gedenkstätten, betreuen Holocaust-Überlebende oder begleiten Suchtkranke - inzwischen in 13 Ländern weltweit, in den USA oder in Israel, in Polen, Frankreich, Norwegen oder Russland.

Und doch ist das nur die eine Seite der Geschichte. 1958 bewusst als gesamtdeutsche Organisation von Kreyssig und Pfarrer Franz von Hammerstein gegründet, zerbricht die Hoffnung auf eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit schnell an der politischen Situation. Die Mauer teilt auch die Aktion Sühnezeichen. Während sich in der Bundesrepublik Jahr für Jahr junge Erwachsene zu einem sechs- bis 18-monatigen Auslandseinsatz verpflichten, bleibt das Engagement von ASZ, so heißt Aktion Sühnezeichen fortan im Osten, auf zwei Wochen im Sommer beschränkt.

1962 lädt Kreyssig dort erstmals zu einem Sommerlager nach Magdeburg ein: Rund 70 Jugendliche kommen, räumen den Kriegsschutt aus den Kirchenruinen der Domstadt. Es folgen viele Sommerlager, mitunter bis zu 30 pro Jahr, bei denen junge Leute anstelle ihres Sommerurlaubs in Bau- und Restaurierungsprojekten anpacken.

"Die SED war klar gegen uns", sagt Christian Schmidt, der bis 1974 die ASZ geleitet hat. "Sühnezeichen stand ja für eine Schuld, die es nach offizieller DDR-Meinung nicht gab." In den Anfangsjahren blieb das Engagement daher auf kirchliche und diakonische Einrichtungen beschränkt. Erst in den Siebzigern sind auch Einsätze auf jüdischen Friedhöfen möglich, später gibt es sogar Sommerlager in staatlichen KZ-Gedenkstätten. Ab 1983 leitet Werner Liedtke die Aktion. "Wir konnten unsere Sommerlager immer durchführen", sagt er. Doch stets muss der Ostzweig darum ringen, von den DDR-Behörden nicht nur toleriert, sondern auch akzeptiert zu werden.

Heute, 50 Jahre nach der Gründung, ist Aktion Sühnezeichen wieder eine gemeinsame Aktion. Beide Traditionen, die Sommerlager und die Auslandseinsätze gibt es noch. Inzwischen nehmen auch Jugendliche aus dem Ausland an den Sommerlagern teil, leisten Freiwilligendienste in Deutschland. Und obwohl sich gesellschaftlich seit der Gründungszeit vieles verändert hat, ist eines über die Jahre gleich geblieben: Der Name "Sühnezeichen" sei auch heute noch sperrig, bereite vielen Freiwilligen große Mühe, sagt Staffa. Erst durch die Erfahrungen und Begegnungen erschließt sich für viele der Begriff, meint er. Und das hieße konkret: Verantwortung zu übernehmen.

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste