Vor 200 Jahren wurde der Theologe Wilhelm Löhe geboren

Der "fränkische Diakonissenvater"

15. Februar 2008


Nach modernen Personalentwicklungskriterien war seine Karriere verkorkst. Seine Dorfpfarrstelle hat er niemals gewechselt. Mit seinen obersten Vorgesetzten lag er häufig im Clinch. Und um ein Haar hätte er seine Kirche unter Protest und mit großem Getöse verlassen. Dennoch: Nur wenige Geistliche seit Martin Luther haben den Protestantismus so nachhaltig geprägt wie Wilhelm Löhe (1808-1872). Vor 200 Jahren, am 21. Februar 1808, wurde er in Fürth geboren.

Löhe gilt heute neben Johann Hinrich Wichern, der ebenfalls vor 200 Jahren geboren wurde, als einer der Gründerväter der Diakonie in Deutschland. Die Diakonie Neuendettelsau, mit mehr als 6.000 Mitarbeitern einer der größten diakonischen Träger der Republik, entwickelte sich aus der von ihm 1854 ins Leben gerufenen Diakonissenanstalt.

Doch auch die Missionsarbeit, die bis heute von Bayern aus betrieben wird, geht direkt oder indirekt auf Wilhelm Löhe zurück. Siedlungen wie Frankenmuth oder Frankentrost im US-Bundesstaat Michigan verdanken Löhe ihre Existenz.

Johann Konrad Wilhelm Löhe, Spross einer angesehenen Kaufmannsfamilie, hatte seit früher Jugend eine Pfarrerslaufbahn angestrebt. Nach dem Theologiestudium in Erlangen und Berlin durchläuft er immerhin zwölf Stationen als Vikar, bis ihm die misstrauischen Kirchenoberen 1837 eine eigene Pfarrstelle anvertrauen.

In Neuendettelsau, einer abgelegenen, ärmlichen Dorfpfarre im Mittelfränkischen, kann Löhe wenig Schaden anrichten, kalkuliert man im königlichen Oberkonsistorium. Löhes berühmtestes Zitat fällt, als er sich zum ersten Mal am Ort seines künftigen Wirkens umsieht: "Nicht tot möchte ich in diesem Neste sein!" Viermal bewirbt er sich auf einflussreiche Pfarrstellen in bayerischen Großstädten, viermal vergeblich.

Dennoch entfaltet der fromme Pfarrer in der Provinz ein beispielloses Wirken. Seit 1841 wurden in Neuendettelsau Missionare für die Seelsorge der nach Nordamerika Auswandernden ausgebildet. 1853 wurde die Ausbildung von Frauen in der Diakonie eingeführt, um Frauen in sozial schwieriger Lage eine berufliche Möglichkeit zu eröffnen. Durch die Diakonissen konnten vor allem dörfliche Regionen besser versorgt werden. Nur ein Jahr später wurde die Diakonie Neuendettelsau gegründet - am 9. Mai 1854 als Diakonissenanstalt. Die Einrichtung gehörte zu den Sozialwerken der neulutherischen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts.

Von weit her kommen Menschen in stundenlangen Fußmärschen in das "Neste", um Löhe predigen zu hören. Die kleine Dorfkirche platzt Sonntag für Sonntag aus allen Nähten, wenn er auf die Kanzel steigt. Löhe führt die Einzelbeichte, eine reiche Liturgie und ein strenges Abendmahlsregiment ein.

Seine oftmals kompromisslose Stimme zählt längst weit über Neuendettelsau hinaus. Löhe betont in seinem missionarischen und diakonischen Wirken immer wieder die überragende Bedeutung der Konfession. Er hat von seinem Provinzpfarramt aus entscheidenden Anteil daran, dass sich die protestantische Gesamtgemeinde in Bayern im Jahr 1853 in Lutheraner und Reformierte aufspaltet.

Löhes drohender Kirchenaustritt ist damit abgewendet. Auf die neue "evangelisch-lutherische" Kirche gewinnt seine konservative Theologie für Generationen prägenden Einfluss. Der Berliner Theologe Ernst Wilhelm Hengstenberg nennt 1857 Neuendettelsau den "eigentlichen Lichtpunkt der evangelischen Kirche in Bayern".

Am 2. Januar 1872 stirbt Wilhelm Löhe in Neuendettelsau. Eine riesige Menschenmenge gibt ihm das letzte Geleit, für das er selbst die Regeln aufgestellt hatte: "Niemand soll an meinem Grabe reden. Ich will keine Leichenpredigt haben."

Diakonie Neuendettelsau