Ökumene ist für Karl Kardinal Lehmann nichts Extravagantes

Bischof Wolfgang Huber würdigt den scheidenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz

12. Februar 2008


Aus Anlass der Wahl des zukünftigen Vorsitzenden der römisch-katholisch Deutschen Bischofskonferenz würdigt der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, die 21-jährige Arbeit von Karl Kardinal Lehmann als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Er schreibt dem Mainzer Bischof anlässlich dessen Rücktritts aus gesundheitlichen Gründen im Wortlaut:

„Am Tag der Wahl Ihres Nachfolgers im Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz liegt mir sehr daran, Ihnen für die Evangelische Kirche in Deutschland noch einmal von Herzen  zu danken; dabei will ich aufnehmen, was ich Ihnen geschrieben habe, als Sie Ihren Rücktritt von diesem Amt ankündigten.

Sie haben eine ganze Epoche des deutschen Katholizismus geprägt. Dabei steht es mir nicht zu, etwas darüber zu sagen, wie Ihre Amtsführung die innere Verfassung des deutschen Katholizismus geprägt hat. Dankbar will ich aber hervorheben, in welchem Maß Sie die gesellschaftliche Diskussion von Fragen mitbestimmt haben, die für die Zukunft unseres Gemeinwesens von zentraler Bedeutung sind: Fragen der politischen Kultur wie der wirtschaftlichen Gerechtigkeit, Fragen zur Zukunft der Familie wie der Respekt für die Würde menschlichen Lebens waren dabei von herausragender Bedeutung. In ganz besonderer Weise war Ihr Wirken durch die europäische Wende sowie die Herstellung der deutschen Einheit mit ihren gesellschaftlichen und auch kirchlichen Folgen geprägt.

Ganz besonders liegt mir daran, Ihnen für eine außerordentlich tief gehende und zugleich nachhaltige ökumenische Partnerschaft zu danken. Ich spreche diesen Dank im Namen aller vier Ratsvorsitzenden aus, mit denen Sie in Ihrem Amt zusammengearbeitet haben. Wir alle sind dankbar für das uns entgegengebrachte Vertrauen, für Ihre ungewöhnliche ökumenische Leidenschaft, für Ihre hohe Verlässlichkeit als Partner im ökumenischen Dialog und für die Beharrlichkeit, mit der Sie ökumenische Verabredungen mutig und gegen manche Widerstände festzuhalten versuchten. In den bald 21 Jahren, in denen Sie das Amt des Vorsitzenden innehatten, haben Sie ein ökumenisches Fundament bereitet, das, wie ich hoffe, auch noch lange nach Ihrer Amtszeit tragen und halten wird. Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar dafür, dass Sie als Theologe und Bischof, als Mitglied der Bischofskonferenz und als Kardinal Ihrer Kirche, wie Sie angekündigt haben, die ökumenische Aufgabe weiterhin zu einem Schwerpunkt Ihrer persönlichen Bemühungen machen werden.

Ihr außerordentlicher Beitrag zur Ökumene ruht vor allem anderen auf drei Voraussetzungen: auf einem wissenschaftlichen Fundament, dessen umfassender Charakter sprichwörtlich geworden ist, auf einem außergewöhnlichen persönlichen Engagement und auf der Entschlossenheit, die ökumenische Verpflichtung zu einem zentralen Thema kirchenleitender Verantwortung zu machen.

Immer wieder haben Sie mich daran erinnert, wie wichtig es Ihnen war, dass die Ökumene zu Ihrem Aufgabenkreis als akademischer Lehrer der Dogmatik in Mainz und Freiburg gehörte. Und immer wieder war ich persönlich beeindruckt davon, dass Sie in der Mitarbeit im Ökumenischen Arbeitskreis katholischer und evangelischer Theologen trotz der Fülle Ihrer Verpflichtungen nie nachgelassen haben – jenes Arbeitskreises, den Sie durch Ihren nun zwei Jahrzehnte währenden Vorsitz selbst so maßgeblich geprägt haben. Vor allem aber haben Sie die ökumenische Verantwortung zur Konstanten Ihres kirchenleitenden Handelns gemacht. Persönlich haben Sie mir vor Augen geführt, wie wichtig es sei, dass der Ratsvorsitzende der EKD wie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz persönlich am Kontaktgesprächskreis zwischen unseren beiden Kirchen beteiligt sei; beide haben wir uns deshalb auch darum bemüht, an diesem Gremium mit hoher Präsenz teilzunehmen. Von Herzen stimme ich Ihrer Aussage zu: ‘Ökumene ist nichts Extravagantes, sondern muss intensiv den Alltag beherrschen.’

In der Zeit, in der Sie Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz waren, sind über zwanzig Texte entstanden, die vom Rat der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz gemeinsam verantwortet wurden, nicht selten auch in Gemeinschaft mit den anderen in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland zusammengeschlossenen Kirchen. In vielen wichtigen Fragen haben unsere beiden Kirchen gemeinsam Stellung bezogen. Herausragend ist ganz gewiss das 1997 erschienene Gemeinsame Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage ‘Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit’, das Sie gemeinsam mit einem meiner Vorgänger, Landesbischof Klaus Engelhardt, verantworteten. Ihr hohes Engagement auch in Fragen der Bioethik ist immer wieder von dem Willen geprägt, zu einer gemeinsamen Haltung angesichts der anstehenden politischen Entscheidungen finden zu können; aber Sie haben zugleich die Notwendigkeit unterstrichen, unterschiedliche Positionen in Einzelfragen in ihrem Ernst und ihrer ethischen Integrität zu würdigen.

Ihre Eröffnungsreferate vor den Vollversammlungen der deutschen katholischen Bischöfe sind in einem eindrucksvollen und umfangreichen Band dokumentiert. Ihr letztes Eröffnungsreferat widmeten Sie dem Thema: ‘Zum Selbstverständnis des Katholischen. Zur theologischen Rede von Kirche’. Sie gaben darin den Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Verständnis der Kirche eine Interpretation, die nach vorne hin offen ist und deshalb auch ökumenische Zuversicht vermittelt. Das geschah auf dem Hintergrund, dass Sie selbst wichtige Themen wie das Verständnis der Sakramente und des kirchlichen Amtes, die Bedeutung der Glaubensbekenntnisse und das Verständnis von Kirchengemeinschaft mit Beharrlichkeit untersucht und das ökumenische Potential dieser Themen ausgelotet haben. Wenn man einen oft modisch gebrauchten Begriff in seinem ganzen Ernst verwenden will, so darf man sagen: Um ökumenische Nachhaltigkeit haben Sie sich mit einer staunenswerten Beharrlichkeit bemüht; Sie haben sich um diese ökumenische Nachhaltigkeit in hohem Maß verdient gemacht.

Manche Schwierigkeiten haben Sie dabei erlebt, nicht nur bei ökumenischen Partnern, sondern auch im eigenen Bereich. Zur jähen Ungeduld haben Sie sich nicht hinreißen lassen; denn deren Schwester ist die Resignation. Und von den großen ökumenischen Zielen gilt, wie Sie gesagt haben, dass sie ‘nicht nur die Leidenschaft verständlichen Drängens, sondern auch die mühsame Geduld des Reifens brauchen.’

Exakte Wissenschaft, ökumenische Leidenschaft und weise Kirchenleitung – alle drei Dimensionen Ihres Wirkens haben wir Evangelischen in den vielen Jahren in hohem Maß erfahren; wir werden diese Ihre herausragenden Eigenschaften auch in Zukunft zu schätzen wissen. Wir danken Ihnen für das ökumenische Geschenk dieser Jahre und bauen auf die gute Weggemeinschaft mit Ihnen auch in der Zukunft.

Ihnen, lieber Bruder Karl Lehmann, wünsche ich von Herzen Gottes  Segen für die Wege, die vor Ihnen liegen. Gott bewahre Ihnen Ihre Kräfte und schenke Ihnen die Gelassenheit für die Ruhepausen, die Sie benötigen. Ich freue mich auf jede Gelegenheit zur persönlichen Begegnung und zum Zusammenwirken in der kommenden Zeit. Es ist mein herzlicher Wunsch, dass der ökumenische Geist, den Sie repräsentieren, auch weiterhin bestimmend sein kann.“

Gratulation des EKD-Ratsvorsitzenden an den neugewählten Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz