Das "bessere Wittenberg"

Universität in Jena - ein Kind der Reformation

05. Februar 2008


Anfangs war die Stadt von der geplanten Neuansiedlung alles andere als begeistert. Eine Universität zerstöre das gewachsene Gefüge des Ackerbürger- und Weinbauernstädtchens an der Saale, warnten die Jenaer Stadtväter schon 1548. Ihrer Ansicht nach fehlte für die Versorgung der Professoren und Studenten mit frischen Waren eine städtische Marktordnung. Zudem würden Vergünstigungen wie der steuerbefreite Bierausschank die Einnahmen der Stadtkasse deutlich schmälern. Schließlich gab es auch Angst vor den Studenten mit ihren losen Sitten, wie sie aus anderen Hochschulstädten bekannt waren.

Gleichwohl habe die "Salana" unter den damaligen Universitäten schnell ihren Platz gefunden, sagt Helmut G. Walther vom Historischen Institut der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität. Mit der feierlichen Zeremonie am 2. Februar 1558 in der Stadtkirche wurde die zehn Jahre zuvor gegründete Hohe Schule reichsweit als Universität anerkannt. 450 Jahre später erinnern Hochschule und Stadt daran mit einem Gedenkjahr mit über 150 Veranstaltungen unter dem Motto "Lichtgedanken".

Gegründet wurde die heutige Massenuniversität mit 25.000 Studenten in den Umbrüchen der Reformation. Der protestantische Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (1503-1554) verlor im Schmalkaldischen Krieg von 1547 bei Mühlberg nicht nur seine Kurwürde, sondern mit den nördlichen Landesteilen auch die Universität in Wittenberg. Um den Verlust auszugleichen, verfügte der geschlagene Kurfürst als politischer Gefangener des Kaisers 1548 die Gründung einer Hohen Schule im früheren Dominikanerkloster.

Deren Erhebung zur Universität indes erfolgte erst vier Jahre nach seinem Tod. Die Neugründung sollte nicht nur den Nachwuchs von Lehrern, Juristen und Geistlichen in den kleiner gewordenen ernestinischen Landen sichern, betont Historiker Walther: "Jena galt von Anfang als das 'bessere Wittenberg'." Im Ringen um die Reformation seien die Wittenberger um Philipp Melanchthon nach Ansicht Johann Friedrichs zu kompromissbereit gewesen. Den protestantischen Anspruch bekräftigte bereits die 1555 begonnene Jenaer Ausgabe von Martin Luthers Werken.

Dem drohenden Aus im 19. Jahrhundert sei die "Salana" mit der Promotion von Auswärtigen begegnet, berichtet Walther: "Die Verfahren ließ sich die Universität gut bezahlen." Auf diese Weise gelangte 1841 auch Karl Marx zu akademischen Würden in Jena - mit einer Dissertation "Über die Differenz der Demokritischen und Epicureischen Naturphilosophie". Nach 1870 sorgten die Unternehmer Carl Zeiss und Otto Schott für einen neuen Aufschwung als Forschungsuniversität.

Die lutherische Tradition an der einzigen Volluniversität Thüringens blieb über die Jahrhunderte vor allem an der Theologischen Fakultät lebendig, die wie bei allen alten Hochschulen auch in Jena zu den Gründungsfakultäten gehörte. Sie überstand Aufklärung und Säkularisierung ebenso wie die Vereinnahmung durch die "Deutschen Christen" im Nationalsozialismus und die Bevormundung durch die Hochschulpolitik der SED. "Wir haben deutlich mehr Freiheiten gehabt als andere Kommilitonen", erinnert sich der frühere Jenaer Theologiestudent und heutige Thüringer Bischof Christoph Kähler.

Als Student von 1966 bis 1969 hatte er nach einer Flugblattaktion gegen die DDR-Verfassung von 1968 und den anschließenden Verhaftungen miterlebt, wie sich ein Dozent mit den betroffenen jungen Theologen öffentlich solidarisierte. "Das ist damals sehr mutig gewesen und war für mich prägend", betont Kähler. Ganz andere Erfahrungen machte der Schriftsteller Lutz Rathenow: Als Jenaer Germanistikstudent wurde er ähnlich wie andere kritische Geister aus politischen Gründen 1977 exmatrikuliert - kurz vor den Abschlussprüfungen.

Die widersprüchliche Entwicklung unter den beiden deutschen Diktaturen wird seit 1998 an der Universität systematisch erforscht. Die dazu erschienenen Publikationen gehörten zu den wenigen positiven Beispielen einer aufrichtigen Aufarbeitung von Hochschulgeschichte, sagt Rathenow. Mit der Rehabilitierung nach 1990 übergab die Universität dem Autor auch das einst verweigerte Abschlussdiplom.

Friedrich-Schiller-Universität Jena

Landesbischof Christoph Kähler auf den Seiten der Universität Jena