„Die Menschen machen einfach weiter“

Der deutsche Pfarrer in Simbabwes Hauptstadt Harare berichtet

10. Januar 2008


„Seit August haben wir praktisch kein Fleisch mehr gegessen“, sagt Klaus-Peter Edinger. Der 55jährige Theologe aus der Pfalz ist deutscher Auslandspfarrer in Simbabwes Hauptstadt Harare. „Wenn ich Mehl besorgen kann, backt eine Nachbarin für uns Brot. In den Läden gibt es kaum noch Grundnahrungsmittel.“ Benzin bekommt er im Austausch für Gutscheine beim Lutherischen Weltbund. „Die hohen Transportkosten sind ein Riesenproblem.“ Buslinien aus der Hauptstadt in andere Landesteile sind aus diesem Grund schon gestrichen: „Deswegen können wir zum Teil gar nicht genau sagen, wie die Situation für die Menschen auf dem Land ist.“

Simbabwe steckt in einer beispiellosen Wirtschaftskrise. Besonders seit im März des vergangenen Jahres Versammlungen von Oppositionellen gewaltsam aufgelöst wurden, ist die Weltgemeinschaft auf die angespannte Situation in dem südafrikanischen Land aufmerksam geworden. Die Inflation wird inzwischen auf 14.000 bis 40.000 Prozent geschätzt – offizielle Statistiken gibt es seit Herbst vergangenen Jahres nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 80 Prozent. Simbabwe hat die niedrigste Lebenserwartung weltweit: Männer werden hier im Durchschnitt 37 Jahre als, Frauen 34.

Die deutsche Gemeinde versucht, den Menschen zu helfen so gut sie kann. Einem Studenten, dessen Stipendium von ungefähr 3 US-Dollar pro Monat fast vollständig für Fahrtkosten zum Universitätsgelände aufgebraucht wurde, hat der Pfarrer ein Zimmer bei einer Frau aus der Gemeinde vermittelt – direkt gegenüber von der Universität. In einem anderen Fall leitet Edinger Hilfsgelder aus Deutschland an eine Frau weiter, die sich allein um ihre drei Kinder kümmern muss und dazu noch zwei Kinder ihrer verstorbenen Schwester aufgenommen hat – eines davon ist HIV-positiv. „Es kommen auch Väter zu uns, die um einen kleinen Sack Mais für ihre Familien bitten.“ Edinger hört den Menschen zu und bemüht sich um Hilfe. „Keiner soll unglücklicher von der Gemeinde weggehen als er gekommen ist“ lautet das Motto.

Seit gut einem Jahr ist der Pfarrer mit seiner Frau in Simbabwe. In dieser Zeit habe sich die Versorgungslage dramatisch verschlechtert. Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – finde an den Wochenenden ein buntes Gemeindeleben statt. 335 Mitglieder zählt die Gemeinde, davon sind rund 15 Prozent Deutsche, die überwiegend in der Botschaft oder bei Hilfsorganisationen arbeiten. „Nach den Gottesdiensten gibt es eine Frauengruppe, eine sehr aktive Männergruppe, Jugendarbeit, Chöre...“ zählt Edinger auf. Der Zusammenhalt unter den Gemeindemitgliedern sei hoch. Die Hautfarbe spiele dabei keine Rolle. Besonders das Engagement der Jugendlichen sei beeindruckend. „Trotz der Armut und der schwierigen Situation organisieren sie Konzerte und bemühen sich, CD’s zu brennen.“ Die Gelassenheit angesichts der bedrückenden Probleme überrasche ihn immer wieder, berichtet er. Eines Abends habe er die Nachricht gehört, die Landeswährung habe gegenüber dem US Dollar an diesem Tag 67 Prozent des Wertes eingebüßt. „Ich dachte: Nun geht es nicht mehr weiter. Was soll jetzt werden? Aber am nächsten Tag lief das Leben in den Straßen normal. Die Menschen machen notgedrungen einfach weiter.“

Ein Drittel der 13 Millionen zählenden Bevölkerung überlebt nur mit Hilfe von Verwandten, die aus dem Ausland Geld überweisen. Auf 3 Millionen wird die Zahl der ins Ausland geflüchteten Simbabwer inzwischen geschätzt. Ein weiteres Drittel ist auf die Unterstützung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. Edinger erzählt von einem schwedischen Medizinprofessor, der an Weihnachten in seiner Klinik Chirurg, Anästhesist und Krankenschwester in einem sein musste. Für umgerechnet 25 US-Dollar Monatslohn arbeitet er praktisch rund um die Uhr, um der Not leidenden Bevölkerung zu helfen. „Der Professor hat uns ermahnt, vor allem nachts vorsichtig zu fahren,“ so Edinger. „Wenn wir einen Unfall hätten, sehe es schlecht aus.“ Ambulanzen gibt es schon lange nicht mehr.

Bei seinem Besuch in Deutschland formuliert Klaus-Peter Edinger ein klares Anliegen: „Ich würde mir wünschen, dass mehr Kirchengemeinden oder auch übergemeindliche Institutionen Kontakt zu Simbabwe aufnehmen. Die Menschen dort fühlen sich abgehängt.“

Ev. Gemeinde deutscher Sprache in Simbabwe