Ruhe nach dem Sturm – trügerisch oder tragfähig?

Die deutsche Auslandspastorin Anne Töpfer berichtet aus Nairobi/Kenia

07. Januar 2008


Erleben der Situation

„Wir können wieder schlafen.“ so schildert Lucas Amughaya, ein Mitarbeiter der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache in Nairobi/Kenia, am Sonntagmorgen eine Woche nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses die Situation an seinem Wohnort in Kawangware, einem Wohngebiet am Rande eines Slums in Nairobi. „Wir können wieder alles kaufen. Aber die Preise sind hoch.“ Vorratshaltung ist in diesen Gebieten für Viele kaum möglich, denn zum einen fehlt das Geld für Großeinkäufe, zum anderen gibt es keine Lagermöglichkeit und zum dritten ziehen Lebensmittelvorräte momentan Diebe an. Vor einer Woche sah das anders aus. Aus Angst vor Plünderern und Schlägertrupps hatten sie sich in der Nachbarschaft organisiert, um sich gegenseitig zu warnen. An Schlaf war da nicht zu denken.

Die Vereidigung Mwai Kibakis zum neuen Präsidenten Kenia nach den umstrittenen Wahlen war sicherlich der Auslöser für die Gewalt, aber mittlerweile haben diese Übergriffe nichts mehr mit den Wahlen nichts mehr zu tun. „Post Election Violence“ ist das Stichwort.

In manchen Gebieten, so berichten Anwohner, bedrohen Mitglieder der umstrittenen Mungiki Sekte (Pseudoreligiöse Organisation mit mafia-ähnlichen Strukturen) die Bewohner. Aber auch hier scheint in der Zwischenzeit wieder Ruhe eingekehrt zu sein. Ruhe klingt natürlich eher zynisch, wenn immer noch Menschen sterben.

Schlechter gestellt sind die Flüchtlinge, die aufgrund der kriminellen „Post election violence“, vertrieben worden sind. Am Rande des größten Slums südlich der Sahara, in Kibera, finden sie Zuflucht auf dem Gelände des Jamhuri Parks. Flüchtlinge aus Mathare, einem weiteren Slum, sammeln sich auf dem Gelände von der katholischen St. Benedict Pfarrei. Aus dem Westen und Nordwesten Kenias fliehen die Menschen zum Teil nach Uganda. Die Versorgung dieser Flüchtlinge, es sollen über 300.000 sein, wird unter anderem über das Rote Kreuz, World Food Programme und andere UN Organisationen organisiert.

Gemeinde vor Ort

In diesem Sturm scheint die Gemeinde ein sicherer Hafen zu sein. Wir leben nicht dort, wo die Gewalt stattfindet. Wir sind nicht unmittelbar betroffen. Wir konnten Vorräte anlegen, da wir die finanziellen Ressourcen und Lagermöglichkeiten haben.

Unsicherheiten gab und gibt es natürlich trotzdem, von daher haben wir uns vom Pfarrhaus aus bemüht, Informationen über die aktuelle Lage zu kommunizieren und Warnungen weiterzugeben. Bezugsquellen für Lebensmittel wurden verbreitet, um damit auch die Versorgung von kenianischen Mitarbeitern, die diese Möglichkeiten nicht haben, zu gewährleisten.

Auf Anfrage der Deutschen Botschaft, die sich auf dem Gelände der Deutschsprachigen Gemeinde befindet, haben wir die Gemeindehalle und das Gelände als Zufluchtsort für die kenianischen Mitarbeiter und ihre Familien und auch für betroffene Gemeindeglieder geöffnet.

Von diesem Angebot wurde bisher kaum Gebrauch gemacht, da die Menschen um ihr Hab und Gut fürchten, wenn sie es unbeaufsichtigt zurücklassen.

Politische Entwicklung

Eine politische Lösung ist noch nicht in Sicht. Fälschungen bei den Wahlen sind so wohl von Seiten der Regierung als auch der Opposition vorgenommen worden. Die Opposition der ODM (Orange Democratic Movement) mit ihrem Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga verlangt den Rücktritt des auf die Schnelle vereidigten Mwai Kibakis. Mittlerweile bietet Kibaki eine Regierung der Nationalen Einheit an. Dies wird von der Opposition abgelehnt. Sie verlangen eine Übergangsregelung mit dem Ziel von Neuwahlen. Eine Neuauszählung, wie der Generalstaatsanwalt, Amos Wako, sie auch ohne Gerichtsentscheid für möglich hält, lehnt die Opposition ab. Im Augenblick scheint der jetzige Präsident Ghanas, Kufuor, als Vermittler von beiden Seiten akzeptiert zu werden. Ob jedoch ein internationaler Vermittler eine Lösung für Kenia befördern kann, wird sich erst noch zeigen.

Gefürchtet werden die Demonstrationen, zu denen immer wieder von der Opposition aufgerufen wird. Mit friedlichen Versammlungen im demokratischen Sinne kann jedoch nicht gerechnet werden. In der vergangenen Woche kamen die „Demonstranten“ in der einen Hand mit Zweigen als Friedenszeichen und in der anderen Hand mit Knüppeln bewaffnet. So sind alle Demonstrationen verboten.

Die jetzigen Ereignisse werfen Kenia zurück. Ethnische Unterschiede sind in Kenia präsent. Sie hatten bis jetzt jedoch nicht diese verheerenden Auswirkungen. Eine Aufspaltung der Kenianer könnte die Folge sein. Gräben werden aufgebrochen, die in der Vergangenheit nicht trennend waren. Auch die wirtschaftliche Entwicklung z.B. im Tourismus trägt schon jetzt schwere Einbußen davon. Die Zerstörung von Geschäften, die Landwirtschaft und der Handel sind ebenfalls betroffen.

Berichterstattung

In der internationalen Presse schafften die Ereignisse es auf den ersten Platz der Berichterstattung. Solange genügend grausame Bilder geliefert werden konnten, fand Kenia einen Platz auf den ersten Seiten der Zeitungen und der Internetseiten. Die Nachrichten begannen mit Berichten aus Ostafrika. Beängstigend war die zum Teil sehr einseitige Berichterstattung, die die Opposition zum Opfer hochstilisierte und die Regierung mit diktatorischen Begriffen titulierte. Das ist ein westlicher Kurzschluss. Als es auf dem politischen Gebiet nur noch schleppend Neues zu berichten gab, musste nachgeliefert werden. Die „Post Election Violence“ war da ein gefundenes Fressen für die Kameras. Manches – so wird jetzt bekannt – wurde gestellt, kämpfende Kenianer stellen sich in Positur und die Bilder wandern um die Welt. Hier regt sich Empörung in Kenia. Man fühlt sich verunglimpft und einseitig und verzerrt dargestellt.

Hoffnungen für die Zukunft

Hoffnung für Kenia liegt für mich bei den Kenianern. Mehr und mehr haben genug davon, vor die Karren anderer gespannt zu werden. Sie durchschauen, dass die Gewalt unter der sie leiden, von Politikern für ihre eigenen Machtinteressen ausgenutzt wird. Sie wünschen sich nichts sehnlicher als Sicherheit und Ruhe.

Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache in Kenia

epd: Deutsche Pastorin in Kenia setzt für Frieden Hoffnung auf Bevölkerung

Diakonisches Werk: Blutige Unruhen in Kenia