Herbei, o ihr... Neugierigen

Manches Weihnachtslied sollte man genauer ansehen

27. Dezember 2007


Wenn Gott Hirten und andere Hilfsarbeiter einlädt, blau zu machen, beginnt Weihnachten. Gott liebt Überraschungen, erinnert uns der englische Bischof Nick Baines in einer Kurzandacht zu einem bekannten Weihnachtslied.

»Herbei, o ihr Gläubigen, fröhlich triumphierend, o kommet, o kommet nach Bethlehem!« Nein danke – ich glaube, darauf verzichte ich lieber. Bethlehem? Wer will da schon hin? Es liegt irgendwo in der Pampa, und heute ist es ein Kampfgebiet im gottlosen Konflikt zwischen den Palästinensern und den Israelis. Sie können Bethlehem behalten; Ich bleibe lieber, wo ich bin.

Nun ja … in gewisser Weise liege ich daneben. Die Aufforderung, nach Bethlehem zu kommen, bezieht sich eigentlich auf etwas ganz anderes. Sie scheint ein Aufruf zu sein, sich von Gott an einem überraschenden Ort überraschen zu lassen. Gott macht das öfter. In der Bibel nervt er die Leute immer wieder, indem er aufkreuzt, wo er nicht willkommen ist (wie zum Beispiel in den Machtkorridoren des Römischen Reichs). Im Evangelium spricht Jesus immer wieder mit den Falschen: mit Kollaborateuren, Krüppeln und Leuten mit ansteckenden Krankheiten,  Prostituierten und fetten Katzen. Es wirkt peinlich, wie er sich ohne jede Diskriminierung die Leute aussucht, mit denen er herumhängt. Er berührt Menschen, denen man fern bleiben sollte, und hört Leuten zu, deren Geschichte jahrzehntelang nicht gehört worden ist.

Und ich glaube, an dieser Stelle fangen meine Probleme mit diesem Weihnachtslied an. Wer sind denn die »Gläubigen«, die dazu ermutigt werden, nach Bethlehem zu kommen? Und warum wird ihnen eine besondere Einladung geschickt? Wenn ich die Geschichte über Weihnachten in den Evangelien lese, erfahre ich, dass Gott ausgestoßene Schäfer dazu einlädt, blau zu machen, und Ausländer auffordert, einer fremden Familie symbolische Geschenke zu bringen. Es sind eher die ungläubigen Menschen, die herbei gewunken und herzlich empfangen werden.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will damit keineswegs behaupten, Christen wären nicht dazu eingeladen, Weihnachten zu feiern! Stattdessen glaube ich, wir sollten das Umfeld ein wenig erweitern und die Ungläubigen nach Bethlehem einladen, damit sie eine Party stürmen können, von der sie nichts gewusst haben. Vielleicht verbringen sie den ganzen Abend damit, sich zu fragen, wessen Party das eigentlich ist, für wen die Party eigentlich geschmissen wird, aber wahrscheinlich werden sie es herausfinden, bevor sie wieder gehen. Und vielleicht werden sie überrascht sein, wie willkommen sie sind, auch wenn sie sich zuerst wie Eindringlinge fühlen. Der Gott der Weihnachtsgeschichte hat sich liebevolle Überraschungen und Gags zur Gewohnheit gemacht, und er lädt jeden ein mitzufeiern, der bereit ist, dahin zu kommen, wo er ist.

Bethlehem mag nicht unbedingt der anziehendste Urlaubsort der Welt sein. Es ist ein Stall, in dem dieses bestimmte Ereignis stattfindet. Darin gibt es echten Dreck, echten Gestank, echte Menschen, echte Verwirrung und echte Unsicherheit. Er verspricht kein leichtes oder gesundes Leben. Er gibt keine Garantie für einen komfortablen Lebensstil. Er bietet keine Sicherheiten und keine Vollkasko. Tatsächlich wird der Gastgeber dieser einfachen Unterkunft eines Tages erleben, dass Gastlichkeit karg ist und dass er für seine Lebensfreude und seinen Glauben ans Kreuz genagelt wird.

Aber egal, ob ich mich nun für gläubig oder nichtgläubig halte – er schaut mir in die Augen und lädt mich dazu ein, mich auf Weihnachten vorzubereiten, um den Gott unter uns zu feiern. Also, ihr Leute, kommet nach Bethlehem, ihr, die ihr neugierig darauf seid, was an Weihnachten wirklich passiert. Und lasst euch überraschen.

Und … na ja … schreibt das Weihnachtslied um …“


Weitere Texte von Nick Baines sind zu finden im gerade auf Deutsch erschienenen Buch "Am Rande bemerkt. Alltägliche Begegnungen mit Gott", Lutherisches Verlagshaus, Hannover, Vorwort von Dr. Petra Bahr, ISBN 978-3-7859-0969-0, 144 Seiten, 12,90 €